Tochter und Vater an der Elbe! / Klein Kühren – Hitzacker
Dritter Tag und Abschied
Das Frühstück gibt es nach dem Zeltabbau wieder im Gemeinschaftsraum und dann rollen wir die Straße runter zur Fähre. Kurz nach der Überfahrt auf die andere Seite machen steht gleich die erste Pause an. Wir haben jetzt wieder ein Bundesland verlassen. Nur war es bis vor 22 Jahren noch gar nicht möglich hier auf die andere Seite zu wechseln. Drüben hatten sich die Mächtigen der DDR vor dem Klassenfeind hinter hohen Zäunen verschanzt.
Für Jarla ist es nicht leicht zu verstehen, warum man Menschen im eigenen Land eingesperrt hat. Gleich nachdem wir die Richtung Elbe aufwärts eingeschlagen haben, weht uns ein kerniger Wind entgegen. Wer hat eigentlich im Reiseführer geschrieben dass flussaufwärts, wegen der angeblichen vorherrschenden Windrichtung, die bessere Richtung sei? Immer wieder begegnen uns andere Radler. Und alle sind viel schneller als wir. Als dann noch einige mit Rückenwind und Elektrounterstützung an uns vorbei rauschen ist uns klar, diese Welt ist nicht gerecht.
Durch den Paradiesgarten zum Essen
Eine Skulptur, ein verwilderter Garten und ein Eingang mit der Aufschrift „Kaffee Kuchen Kunst Küche“ macht uns neugierig. Außerdem ist Mittagszeit, da kommt diese Einladung gerade recht. Der Blick durch den Tunnel aus Sträuchern und Bäumen macht ein wenig unsicher. Durch diesen grünen engen Tunnel sollen wir in das verwunschene Reich eintreten? Ein weiterer Radler der hinzukommt macht die Sache einfacher. „Wenn hier Eingang steht, dann wird es hier schon reingehen“, so sprach er und wir traten ein. Irgendwo am Ende des Tunnels taucht ein altes Bauernhaus zwischen den wilden Sträuchern und der Blumenpracht auf. Hier ist alles schön ungepflegt und unordentlich. Nichts ist in Reihen eingezwängt. Alles wächst in eigener Ordnung bunt durcheinander. Einige Stühle und Tische zeigen uns, dass hier Gäste willkommen sind, aber so richtig bewirtschaftet sieht es nicht aus.
Wir suchen an einem Seitengebäude eine Tür die am ehesten verspricht zu einer Gaststätte zu führen. Langsam greife ich zum Türgriff und öffne sie vorsichtig einen Spalt weit. Ein Tresen zeigt wir sind richtig. Kleine Räume, liebevoll eingerichtet und manche nur mit einem Tisch und zwei Stühlen ausgestattet, laden zum Bleiben ein. In jedem Winkel gibt es etwas zu entdecken und aus der Küche kommt der freundliche Gesang der Chefin. Wir fragen nach ob wir etwas zu essen bekommen können und erfahren dass sie noch nicht so ganz richtig offen haben, aber sie macht uns gerne etwas Warmes zum Essen. Nudeln mit einer Tomaten Gemüse Sauce steht auf dem Speisezettel. Eine Zeitlang hören wir wieder den Gesang aus der Küche und dann kommt die Chefin heraus und fragt Jarla ob sie mit in den Garten kommen möchte. Jarla ist sofort dabei. Und so gehen beide nach draußen und pflücken frische Kräuter und Blüten für unser Essen. Dass das Essen einfach und einfach klasse war, muss man eigentlich nicht weiter erwähnen. Privelacker Paradiesgarten & Hof 4, so heißt das Café im verwunschenem Garten, wird uns noch lange in bester Erinnerung bleiben.
“Fährmann, hol över”
Jetzt sind es nur noch wenige Kilometer bis zur Fähre. Nur der Wind und einige Schafe verlangsamen ein wenig unsere Fahrt. Zwar weist ein Schild den Weg zum Fähranleger, würde dort aber nicht schon ein kleines umgebautes Schiff auf Fahrgäste warten, könnte man glauben wir müssen hier hinüber schwimmen. Lange vor dem eisernen Vorhang war hier wohl mal mehr los. Jetzt ist dieser Fähranleger gerade noch für Radfahrer und Fußgänger zu gebrauchen. Der Fährmann ist freundlich und hilfsbereit beim Verlanden der Fahrräder und wir helfen ihm dafür den richtigen Fahrpreis zu berechnen. Mathematik ist nicht ganz so seine Stärke.
Wieder einmal ziehen dunkle schwere Wolken auf als wir uns am anderen Ufer auf die Räder setzen. Wir beeilen uns die Jugendherberge zu erreichen. Auf halber Strecke fallen die ersten schweren Tropfen vom Himmel. Wir ziehen uns schnell die Regenjacken über und fahren wie die Wilden weiter. Nun trifft das ein, wovor wir auf dem Campingplatz gewarnt wurden. Mit 10% Steigung streckt sich die Straße zur Herberge hinauf. Jarla gibt alles unter meinen anfeuernden Rufen und sie schafft es bis auf die letzten 30 Meter. Was für eine tolle Leistung.
Wer glaubt, dass Jarla vom Gegenwind und der Steigung geschafft ist, hätte sie nach dem Duschen auf dem Spielplatz sehen sollen. Die restlichen Kalorien vernichtend hat sie alle Möglichkeiten zum Toben genutzt. Nur zum Sparziergang nach dem Essen, war sie dann viiiiieeeeel zu schlapp.
Am nächsten Tag sitzen wir im Bummelzug auf dem Weg nachhause. Beide schauen wir aus dem Fenster raus auf die idyllische Landschaft und unterhalten uns über Störche, Jugendherbergen und natürlich über das nächste Eis zuhause beim Italiener. Ich muss ja noch mein Bestechungsgeld bezahlen.