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Auf dem E1 von Bad Schwartau nach Klein Grönau

Die erste Stunde ist heute eine Herausforderung für den Kopf. Der E1 schwenkt bei Bad Schwartau erst mal für gut drei Kilometer wieder zurück nach Norden. Da ich am Bahnhof von Bad Schwartau loslaufe, sind es für mich sogar fünf Kilometer bis zum Wendepunkt. Eine gute Stunde laufe ich so gefühlt immer in die falsche Richtung.

Auch nach der Wende fällt es mir wieder mal schwer, der Wegführung etwas abzugewinnen. Und dann auch nichts Positives. Die Einfamilienhäuschen, der Siedlung die zu durchqueren ist, waren mit Sicherheit einst der Stolz ihrer Erbauer, aber als Wanderhighlight möchte ich sie nicht bezeichnen. Ratekau ist nun aber nicht so groß, dass man Gefahr läuft sich zu lange darin aufzuhalten. Schon bald schaue ich mir die Gemeinde wieder von außen an.

Im Stau lässt sich auch auf der Autobahn entschleunigen

Autobahnen sind dafür gemacht, dass Mensch sich zügig im Blechgehäuse darauf fortbewegen vermag. Es sei denn, es ist Urlaubszeit. Entspannt schleicht ein Wohnwagen am anderen Wohnmobil über die Brücke der A1 und ich laufe in fast ähnlicher Geschwindigkeit unten durch. So genießt jeder seinen entschleunigten Tag.

Ein bisschen verläuft der E1 wieder mal auf den kleinen Straßen im Land. Ein bisschen auf dem Fahrradweg auf der Straße, ein bisschen durch den Redder, ein bisschen durch …. Es ist heute so ein „ein bisschen Wanderweg“. Und schon habe ich mich ein bisschen verlaufen. Statt weiter auf der Straße, führt ca. 15 Meter parallel dazu, ein Weg durch den Wald. Da habe ich das letzte Kreuz des E1 doch ein bisschen falsch interpretiert.

Rette mich wer kann

Ein wenig seltsam ist die Situation die sich etwas später ergibt. Eine Gruppe fröhlich unterhaltender Menschen, auf oder neben ihren Pferden, kommt mir entgegen, grüßt freundlich und verschwindet wieder aus meinem Sinneskreis. Gleich darauf nehme ich eine Person wahr, die mit großer Kamera vor dem Gesicht, ihr Ziel anvisiert. Neben ihr sitzen drei Hunde. Als ich auf ihrer Höhe ankomme, ohne dieser Person irgendeine Aufmerksamkeit zu Teil werden zu lassen, dreht sie sich zu mir und keift los:

„Sie müssen gar nichts sagen, ich weiß, dass meine Hunde nicht angeleint sind.“

Noch bevor mein Gehirn einen Zusammenhang zwischen dieser Person und mir herstellen kann, blafft sie weiter:

„Vor Hunden haben sie alle Angst, aber über den Wolf freuen sie sich“.

Da mir die Lust auf eine Vertiefung des „Gesprächs“ fehlt, versuche ich der Frau freundlich mitzuteilen, dass ich an gar nichts gedacht habe und nur an ihr vorbeilaufen wollte. Doch mehr als drei oder vier Worte habe ich nicht sagen können, dies reichte als „Einladung“ zu einem Gespräch. Oder vielmehr ein Monolog, der sich über mich ergoss. Über Hundehalter die keinen Respekt kennen, dass alle Männer schlecht sind, besonders die Messermänner, dass sie eine neue Kamera hat und professionell fotografiert und die Kunden immer anspruchsvoller werden, die Beschränkungen zu Corona übergriffig waren, von Hundehaltern mit Schleppleine und so weiter und so weiter.

Rette mich wer kann. Ich will nur noch raus aus dieser Situation. Aber bitte so, dass es nicht noch einen Grund gibt mit mir eine neue Diskussion anzufangen. Irgendwo in ihrem nicht enden wollenden Wortschwall, habe ich es geschafft mich zu verabschieden. In einem Hauch von Atempause, ist es mir gelungen die Worte: „ich muss weiter – tschüss“, unterzubringen. Noch bevor sie wieder Luft für neue Worte hatte, machten sich meine Beine auf den Weg und tragen mich in Windeseile weg von dieser Wortmaschine.

Das Glas im Container und der Wolfgang mit der Kamera

Wieder mal durchquere ich eine Einfamilienhaussiedlung, um gleich danach eine fast leere, vierspurige B75 zu überqueren. Kein Wunder, dass hier keiner fährt, die treffen sich ja alle auf der Autobahn. Mein „ein bisschen Wanderweg“ führt wieder ein bisschen durch ein Wohngebiet, aber diesmal mit dem besonderen Charme eines, durch die Bundesstraße, zerteilten Ortsteiles, der auch noch auf der falschen Seite liegt. Die Recyclingcontainer und die Koffer auf dem Gehweg verstärken den Eindruck noch zusätzlich.

Am Rande von Kücknitz

Die Scene möchte ich gerne festhalten und bringe die Kamera in Position. Kaum ist alles eingerichtet, läuft eine junge Frau ins Bild, um Glas in einen der Container zu werfen. Nach getanem Werk, dreht sie sich um und bemerkt mich mit der Kamera. Klar möchte sie nun wissen, was und warum ich hier fotografiere. Zuerst beruhige ich sie und sage ihr, dass ich sie nicht fotografiert habe. Als sie dann von meiner Wanderung erfährt und dass mich die Scene hier angesprochen hat, wirkt sie schon deutlich entspannter. Wir verabschieden uns und sie wünscht mir noch einen guten weiteren Weg.

Ein Kilometer Wanderpause

Durch das Landschaftsschutzgebiet Kücknitzer Mühlenbach und Söhlengraben erreiche ich bald wieder die B75. Kurz nach der Unterführung wartet das eigentliche Highlight dieser Etappe auf die Wandernden. Mittels Bustransfer, werden Wandernde und Radfahrende durch den Herrentunnel auf die andere Seite der Trave gebracht. So lege ich einen Kilometer Strecke in zehn Minuten Wanderpause zurück. Das ist mal ein Schnitt.

Wandern im Sitzen durch den Herrentunnel

Entlang dem Breitling-Ufer, wo es außer Wasser und Gewerbehallen nicht so viel zu sehen gibt, geht es nach dem Transfer wieder zu Fuß weiter. Der E1 verschwindet nun für längere Zeit im Wald. Ab und an erinnern die Geräusche an die nahen Wohn- und Gewerbegebiete. Aber nie so, dass es wirklich auffällt. Großes Lob an die Wegemacherund Wegemacherinnen. So lässt sich angenehm die große Stadt Lübeck umgehen.

Für ca. 100 Meter laufe ich dann wieder mal in die falsche Richtung. Eigentlich ein gutes Zeichen, wenn ich wieder mal am Träumen bin, statt auf dem Weg zu achten. Das diese 100 Meter später nochmal wichtig werden, dass ist mir noch nicht bewusst.   

Noch einmal durchquere ich ein Wohngebiet, um zum Ende hin mit vielen anderen Menschen „dem kleinen See“ entgegenzustreben. „Der kleine See“ ist eine Bucht der Wakenitz und hat allem Anschein nach eine sehr beliebte Badestelle, Dort wollen die Menschen alle hin. Nur ich gehe weiter.

Zeit sparen um bei sich anzukommen

Bei Kilometer 30 komme ich auf die Idee, nach der Uhrzeit zu schauen. Nicht mehr ganz 40 Minuten und der Bus fährt am Etappenziel ab. Noch ca. 3 Kilometer habe ich zu gehen, so meine Berechnungen. Genau kann ich es nicht sagen, weil das lausige Komoot im Tunnel meinen Track vergessen hat. Das ist doch vielleicht noch zu schaffen. Ich könnte eine halbe Stunde früher Richtung Lübeck fahren.

Die Landschaft um die Wakenitz zischt an mir vorbei

Meine Beine schalten in den Spurtmodus und laufen los. Gefühlt zischt die Landschaft an mir vorbei als würde ich ein E-Bike fahren. Naja, die Gefühle halt. Ab und an registriere ich die doch recht hübsche Landschaft um mich herum. „

“Sollte ich nicht vielleicht doch wieder langsamer …“

„Ja, aber die halbe Stunde die Du sparen könntest.“

„Was willst ich denn mit dieser halben Stunde?“

„Na sparen halt.“

Okay, Ihr kennt diese Gespräche zwischen Groß- und Kleinhirn mit Sicherheit auch. Das Sparargument siegt und ich rase weiter. Noch 50 Meter sind es bis zur Kreuzung an der Bushaltestelle, da fährt der Bus vor meiner Nase vorbei.

Nun muss ich doch noch eine halbe Stunde warten. Soll ich mich nun ärgern? Vielleicht mache ich die Hundehalterin verantwortlich. Sie hat mich locker 5 Minuten gekostet. Aber was kann sie dazu, dass ich nicht nein sagen kann. Außerdem bin ich die gut 200 Meter in die falsche Richtung gegangen. Also mein Bier. Und hätte ich so hetzen müssen? Es war nicht der letzte Bus für den Tag.

Nein, ich hätte mir Zeit nehmen können. Niemandem und Nichts war ich verpflichtet. Nicht mal meinem Drang nach Zeitoptimierung. Und wandere ich nicht genau deswegen, weil ich keine Zeit sparen muss? Genau dafür setzte ich doch einen Fuß vor den anderen. Um zu sein und nicht zu sparen.

Anderseits war es gut zu spüren, dass mein Körper auch nach 30 Kilometer noch ordentlich Reserven hat. Vor der ersten Etappe mit 30 Kilometern hatte ich noch ordentlich Respekt und nun geht noch was. Auch das weiß ich jetzt.


Der Verlauf meiner Etappe auf Komoot, entspricht nicht immer dem original Verlauf des E1. Manchmal habe ich mich verlaufen oder ich musste noch bis zum nächsten Bahnhof weitergehen. Die originalen Etappen habe ich vorher bei “Hiking Europe” heruntergeladen.

“Original-Track von Hiking Europe / Schönwalde – Neustadt”

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