Auf dem E1 von Dehningshof nach Celle
Früh morgens stehe ich am Fenster meines Zimmers und bin wieder mal aufs Neue fasziniert, wie ruhig es in der Heide ist. Besonders wenn man hier mitten im Nichts übernachtet. Immerhin fühlen sich ein paar Vögel gemüßigt, den Montagmorgen zu begrüßen. Nach dem Duschen packe ich gleich fertig und bin als erster im Frühstücksraum. Den Wandertag möchte ich so früh wie möglich beginnen.
Der Wandertag beginnt mit einer langen Geraden durch den Wald. Nach etwas über einen Kilometer kommt zur Abwechslung ein kaum spürbarer Rechtsknick, gefolgt von einer weiteren langen Geraden. Wäre nach einiger Zeit nicht ein leichter Versatz und danach wieder eine lange Gerade, hätte ich, an den Wildecker Teichen vorbei, vom Start bis zum Forsthaus Kohlenbach schauen können. So muss ich fast eine Stunde laufen, um diesen verträumten Ort zu erreichen.
Unterwegs auf einer alten Handelsstraße
Verträumt war es hier nicht immer. In grauer Vorzeit lag das Gehöft, mit Gasthaus, als Ausspannstation für Kutschen, an der „Alten Celler Heerstraße“. Eine Handelsstraße, die aus Hannover kommend, in Richtung Lüneburg hier vorbeiführte. Bis Ende des 18. Jahrhunderts, durch neue Verkehrsverbindungen und den Bau der Eisenbahn bedingt, dieser Weg an Bedeutung verlor.
Mit diesem Wissen schaut mein Weg bis hierher ganz anders aus. Auch die Alte Fuhrmanns-Schänke in Dehningshof gehörte einst zu diesem Handelsweg. Es war Peter Heinrich Dehning, der hier die erste Ausspannstation errichtete. Der Ort heißt heute immer noch Dehningshof, nur der Name der ehemaligen Ausspannstation wurde auf Alte Fuhrmanns-Schänke angepasst.
Endlich Gegenverkehr
Ach war das wieder mal viel Geschichte. Geschichte die zu einem Fernwanderweg, wie dem E1, dazu gehört. Nun ist aber gut, es geht weiter durch den Wald. Ach ja, es geht weiter – weiter auf der nächsten langen Geraden.
Fast zwei Stunden bin ich nun schon alleine unterwegs, bis mir der erste Mensch begegnet. Ein älterer Herr jagt, von Stöcken unterstützt, durch den Wald. So schnell, dass er noch nicht mal zu grüßen vermag. Oder hat er in dieser Einsamkeit einfach nicht mit menschlichem Gegenverkehr gerechnet?
Hier wird geschossen, ich bin verletzt
Das nächste „Highlight“ kündigt sich durch ordentlich Lärm an. Lärm von Maschinengewehren und anderen tragbaren Vernichtungsvorrichtungen. Gegen Mittag erreiche ich die Lärmquelle, den Standortübungsplatz Scheuen. Beamtenpünktlich wird das Feuer zur Mittagspause eingestellt. Dank des Standortübungsplatzes bekommt meine Gerade ein paar Winkel verpasst, damit ich das Gelände umschleichen kann.
So nach und nach schleichen sich bei mir ein paar Blessuren ein. Meine Unterhose reibt mit dem Beinabschluss am Schenkel bis es brennt und der kleine Fußzeh rechter Hand – sorry – rechten Fußes, meldet eine werdende Blase an. Da kommt die Bank an der Kreuzung genau richtig. Der Fußzeh bekommt ein Pflaster Die wunde Stelle am Bein reibe ich ordentlich mit Handcreme ein. Das brennt erst eine Weile höllisch, dann ist der Schmerz für den Rest des Tages weg.
Zeit für die nächste lange Gerade. Kurz vor Scheuen schlägt der Weg nochmals einen Haken, um dann, wie gewohnt, sich nach geradeaus zu strecken. Der E1 führt mich durch Scheuen durch, über den Segelflugplatz rüber und wieder in den Wald hinein.
Eintritt in eine andere Welt
Und dann ist es plötzlich soweit. Ich verlasse den Wald, die Landschaft sieht anders aus und fühlt sich ganz anders an. Es sind auch nur Felder und Alleen. Aber es fühlt sich gerade an, als wäre ich in eine andere Welt eingetreten. Leider auch eine andere Wetterwelt, die sich hier zusammenbraut. Zügig schreite ich voran und genieße das Laufen Schritt für Schritt. Schritt für Schritt wird es aber auch dunkler und die Temperatur duckt sich davon.
Es wird richtig ungemütlich. Und dann öffnet der Himmel seine Schneematschschleusen. Fünf Minuten lang versuchen die Flocken vor dem Schmelzen noch den Boden zu erreichen, dann ist der Spuk vorbei und die Temperatur traut sich wieder aus ihrem Loch heraus. Mit den Sonnenstrahlen ist auch der erste Vorort von Celle erreicht. Auch wenn der E1 mich außen vorbei lotsen will, lasse ich mir den Heilpflanzengarten der Stadt Celle nicht entgehen und weiche vom Wanderweg ein paar Meter ab.
Kalorien vs Fachwerk
Ein paar Kräuter später, mische ich mich, an den Allerwiesen, unter die Flaneure und Flaneurinas. So richtig habe ich mich noch nicht daran gewöhnt, nach einem langen Wandertag wieder unter Menschen zu kommen. Und diesmal war ich für drei Tage am Stück gefühlt nicht mehr im Stadtgetümmel.
Nachdem die Aller überquert ist, sind es nur noch wenige Schritte bis in die Altstadt von Celle. Die ersten rausgeputzten Fachwerkhäuser begrüßen mich. Soll ich mich erst von der Eisdiele oder erst von den schönen Fachwerkhäusern verführen lassen? Die Eisdiele hat gewonnen. Fachwerkhäuser laufen nicht weg. Aber Kalorien sind stark flüchtig.
Bis der Zug kommt, bleibt noch Zeit um durch die Stadt zu bummeln und um das Schloss zu schleichen. Ich habe das Gefühl, dass Celle auch ohne Wanderschuhe einen Besuch wert ist. Mal schauen, wann ich wieder Zeit habe.
Der Verlauf meiner Etappe auf Komoot, entspricht nicht immer dem original Verlauf des E1. Manchmal habe ich mich verlaufen oder ich musste noch bis zum nächsten Bahnhof weitergehen. Die originalen Etappen habe ich vorher bei „Hiking Europe“ heruntergeladen.