Auf dem E1 von Schönwalde nach Neustadt
Heute wird mich ein “ALT” an den Ausgangspunkt meiner E1 Etappe bringen. In Kiel am Bahnhof rufe ich kurz die Zentrale an und schon ist das ALT (Anruf-Linien-Taxi) für mich gebucht. Auch wenn ich auf meiner Wanderung übernachten würde, ist Schönwalde eine Herausforderung. Es gibt nur wenige Ferienwohnungen in der Umgebung und diese werden selten für eine Nacht vermietet. So müssen auch Durchwandernde meist kreativ werden.
Wer mit dem Zelt unterwegs ist, hat schon bessere Aussichten auf eine Nacht mit legalem Wildzelten. Im Rahmen eines Projekts der Stiftung Naturschutz in Schleswig-Holstein, werden, meist von privat, Trekkingplätze für Wandernde und Radfahrende zur Verfügung gestellt – Link zur Website vom Stiftungsland. Wichtig, die Trekkingplätze findet Ihr unter “Wildes SH” auf der Website. Okay, ich will ja nicht übernachten. Dann mal los.
Das “ALT” wartet am Bahnhof Eutin schon auf mich und da ich der einzige Fahrgast bin, fahren wir ohne Umweg und Zwischenhalt direkt zum Ziel. Das sind satte 20 Minuten gespart. Kann Mensch beim Wandern Zeit sparen? Ist Zeit nicht das, was Wandern ausmacht? Bevor ich mich solch tiefgreifenden Fragen auseinandersetze, bestelle ich mir einen Milchkaffee und ein Croissant in der nahen Bäckerei.
Die Füße dürfen ihr Tagwerk beginnen
Danach dürfen die Füße endlich ihr Tagwerk beginnen. Auf die heutige Etappe freue ich mich schon. Schon vier oder fünf Mal bewandert, sind die Etappe und ich schon fast alte Bekannte. Gleich hinter Schönwalde öffnet sich der Blick über das hügelige Land. Ganz da hinten lugt ein Streifen Wasser und ein Kirchturm hervor. Dort ist mein Ziel.
Ein bisschen Feld, ein bisschen Wald dazwischen Wiesen wo vor freilaufenden Bullen gewarnt wird. So wechselt sich das Landschaftsbild in kurzen Abständen. Ab und an lassen sich auf den weiten Wiesen im hohen Gras auch ein paar Rindviecher erkennen, das wars aber auch schon mit wilden Tieren. Die Sonne wärmt die Luft ordentlich auf. Da verziehen sich die meisten Tiere wohl lieber in den Schatten und warten auf den Abend.
Der Weg wird fast unmerklich zu einer Rampe. Rechts und links fällt das Gelände steil ab. Viele Jahrzehnte lang wurde hier Kies abgebaut. Die tiefen Wunden in der Landschaft sind nun schon wieder fast vollständig wieder zugewachsen und ein ganz eigener Naturraum ist hier entstanden. Wer die steilen Hänge vom Weg runterschaut, kann immer wieder mal alte betonmauern erkennen. Auch diese menschliche Hinterlassenschaft hat die Natur schon weitestgehend assimiliert.
Ein Stück Landstraße und schon wieder die Mücken
Bei Kasseedorf führt der E1 wieder mal ein kurzes Stück auf einer Landstraße entlang. Auch das ist mir wieder ein Rätsel. Gebe es doch naturnähere alternativen. Auf der Straße entlang ist nur ein bisschen doof. Der Bogen durch den Wald wird schnell viel doofer. Ein Baum über dem Weg verlangsamt meine Reisegeschwindigkeit und schon sind sie wieder da, die kleinen stechenden Mistviecher. Schamlos nutzen sie meine Wehrlosigkeit. Meine Hände brauche ich zum Halten und Klettern und kann sie nicht zum verjagen einsetzen.
Der E1 mäandert durch den Wald und über das freie Feld. Es folgen weitere Abschnitte auf der Straße, die jedoch nie störende lange sind. So wandert es sich viele angenehmer als auf der vorherigen Etappe. Zur besten Mittagszeit wartet eine Schutzhütte mit Bänken auf hungrige Wanderer wie mich. Ein bisschen Käse, etwas Brot und etwas zum Knabbern erfreut den Magen und die Füße freuen sich über ein bisschen Freiheit von den Schuhen.
Frischen Fußes setzte ich die Wanderung dann wieder fort. Die Felder leuchten schon golden in der Sonne und ganz untypisch für Schleswig-Holstein, wiegen sich die Ähren heute nicht sanft im Wind. Die Luft steht. Es fühlt sich nach Sommer an. So könnte es immer sein. Auch in Gömnitz bewegt sich außer mir fast nichts und niemand.
Gut Sierhagen
Am Ende der langen Geraden kann ich schon das Gut Sierhagen erkennen. Der E1 führt mitten durch die imposante Gutsanalage. Heute ist es hier still und nichts riecht nach Landwirtschaft. Wie es wohl um 1900 hier war? Pferde, Kühe, Schweine, Knecht und Magd haben den Hof belebt. Jetzt sehe ich nur drei Autos und höre eine Maschine in der Siloanlage. Auch auf den Feldern drumherum. Nur ich und das Getreide. Gerne würde ich mal meine Nase in die vergangene Zeit reinhalten.
Jetzt ist schon Endspurt nach Neustadt angesagt. Hinter dem Gut Sierhagen führt der E1 über eine, von großen alten Bäumen gesäumte, staubige Piste. Von hinten rauscht ein Auto heran, überholt mich und biegt keine 20 Meter vor mir auf ein Grundstück ein. Vielen Dank denke ich, eingehüllt in eine dicke Staubwolke.
Warum auch immer, wird es ab hier immer sehr zäh. Die heutige Etappe ist nun nicht besonders lang, doch ich habe vor Neustadt immer das Gefühl ich breche gleich in der Mitte auseinander. Hier noch durch die Wiesen durch, an der Bahn entlang vorbei am See und dann noch ein bisschen durch Neustadt durch, das ist schon alles. Es fühlt sich aber an wie ein Marathon.
Kurz vor Schluss tobt wie immer der Verkehr durch die Stadt, Es ist viel zu laut und viel zu voll. Zu Glück sind es nur noch wenige hundert Meter bis zum Bahnhof. Wie bestellt steht dort auch schon ein Zug nach Bad Schwartau. Wie schön, endlich sitzen und zum Fenster rausschauen. Tschüss E1 wir sehen uns bald wieder.
Der Verlauf meiner Etappe auf Komoot, entspricht nicht immer dem original Verlauf des E1. Manchmal habe ich mich verlaufen oder ich musste noch bis zum nächsten Bahnhof weitergehen. Die originalen Etappen habe ich vorher bei “Hiking Europe” heruntergeladen.