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Auf dem E1 von Blankenese nach Buchholz

Es ist noch früh am Morgen und das Wasser der Elbe hat sich weit nach draußen in die Nordsee verzogen. Die Fähre von Blankenese nach Cranz muss bei Ebbe leider am Anlieger bleiben. So bleibt mir nichts anderes übrig, als mit dem Bus auf die andere Seite zu fahren. Als Fan von Fähren über Flüsse und Seen zwickt mich das schon arg, dass ich nun schon zum zweiten Mal auf dem E1 um das Vergnügen einer Fährfahrt gebracht werde.  

Pella Sietas (ehemalige Werft)

So schaue ich vom Este-Sperrwerk noch einmal rüber nach Blankenese und versuche mich damit zu trösten, dass es bei diesem grauen Wetter außer grauen Schlamm, graues Wasser und grauem Nebel sowie nicht viel zu sehen gibt.

Von der Bushaltestelle aus, könnte der E1 jetzt direkt nach Süden starten. Macht er aber nicht und zieht eine Schleife von über 2 Kilometern durch das Örtchen Cranz vor. Irgendwie gehören solche (Um)Wege zum E1, auch wenn sich das Warum nicht immer erschließt. An alten Werftanlangen und Obstplantagen vorbei, laufe ich immer auf dem Deich entlang. Richtig spannend finde ich es hier nicht und schon gar nicht bei diesem Wetter. Und dennoch hat die Landschaft hier ihren ganz eigenen Reiz.

Hindernisse im Nichts

Die Region hier ist so flach wie eine Scholle auf dem Ostseegrund. Wenn es zum Grau jetzt nicht noch regnen würde, dann könnte man tatsächlich die bucklige Verwandtschaft schon zwei Tage vor ihrer Ankunft sehen. Ich sehe unter dem Schirm hindurch, aber nur einen ewig langen geraden Weg vor mir ins Nichts mit Apfelbäumen am Wegesrand.

Long and rainy road ♫♫♫ (Nincoper Moorweg)

Vor der Urbarmachung musste das wohl die Region gewesen sein, wo Menschen für immer im Moor verschwunden sind. Um die Moore trockenzulegen, hat man das Land über Gräben entwässert. An genau so einem Graben stehe ich nun und schaue auf den E1, den es hier nicht mehr gibt. Zwischen mir und dem Weg auf der anderen Seite, liegen nur 100 Meter. Unterbrochen durch einen fünf Meter breiten Wassergraben und einer Autobahnbaustelle. Zwischen Apfelplantagen auf der einen und Mooren auf der anderen Seite, frisst sich hier ein Stück neue A 26 durch das Land.

Der Blick auf das Navi zeigt an, dass rund 500 Meter weiter ein Weg auf die andere Seite führen soll. Also kommt, zu den schon 37 Kilometern Tagesstrecke, noch ein weiterer Kilometer hinzu. Doch wie klein ist das Problem, im Gegensatz zum Problem des Radlers, den ich auf der anderen Seite eines großen Tores entdecke. Er ruft mir zu, ob ich ihm helfen könne sein Rad über das Tor zu heben. Bei seiner letzten Tour auf dieser Strecke, hat es das Tor wohl noch nicht gegeben. Gemeinsam packen wir erst die Taschen über das Hindernis und danach sein Fahrrad. Wie gut für den Radfahrer, dass wir uns hier draußen im Nichts getroffen haben.

Die Idylle ist trügerich, nur 100 Meter sind es zur Autobahnbaustelle

Für mich wird es dann auch nochmal spannend. Nach den 500 Metern Umweg, führt zwar eine Brücke über den Wassergraben, aber in der Baustelle ist weiter kein Übergang für Wanderde vorgesehen und eine weitere Brücke über einen anderen Graben ist noch im Bau. Es ist Samstag und alle Arbeiten an der Autobahn ruhen. Mit einem bisschen Pfadfindergespür finde ich einen Weg über die unfertige Brücke und komme sicher auf der anderen Seite an.

Auf den nächsten zwei Kilometern teilt sich nun der E1 den Weg mit Baustellenfahrzeugen. Die Fahrbahn ist entsprechend schlammig und ausgefahren. Am besten läuft es sich meist oben auf dem Deich, durch das fette nasse Gras. Zum ersten Mal in diesem Jahr freue ich mich über meine wasserdichten Schuhe.

Es ändert sich etwas

Endlich biegt der E1 in Richtung Süden ab und verlässt den Baustellenweg. Der Regen hört nun auch langsam auf und ich erreiche Fischbek. Schon kurz vor Fischbek ist mir die Veränderung in der Landschaft aufgefallen. Gefühlt hat sich auch die Luft in der letzten halben Stunde verändert. Alles um mich herum fühlt sich nun anders an. Der Übergang vom Marschland in die Heide liegt hinter mir und ich bilde mir ein es riechen, sehen und spüren zu können.

Beginn des Heidschnuckenwegs

Meter um Meter laufe ich nun die Geestkante nach oben. Jener riesige Sandhaufen, den die Eiszeit hinterlassen hat und erreiche die Fischbeker Heide und damit den Beginn des Heidschnuckenwegs. Auch wenn der Heidschnuckenweg nur auf einigen Abschnitten mit dem E1 zusammenverläuft, fühlt es sich jetzt wie ein Meilenstein an, hier am Anfang zu stehen. Das Ereignis feiere ich mit einem Bergsteiger Riegel, des berühmten Müslimachers aus dem Odenwald. 

Meine Gedanken schweifen ab und landen im Winter auf meinem Sofa. Ich schaue gespannt die Youtube-Videos von „Soulboy“ und seinem Thru-hike auf dem NST an. Selten habe ich so gute Wandervideos zum Miterleben gesehen. Zum Blog Soultrails von Soulboy

Eine neue Landschaft wartet auf meine Sinne

Ich bin aber nicht hier um fremde Wege zu gehen. Mich lockt der eigene Weg. Also Rucksack aufsetzen und los in die Heide. Es dauert keine 500 Meter und die Heidelandschaft hat mich voll in ihren Bann gezogen. Die Beine bewegen sich fast von alleine, auf den schmalen Pfaden bergab und bergauf. Oben angekommen ist gefühlt ein Anblick schöner als der andere. Würde jetzt noch die Sonne scheinen, ich wüsste gar nicht wohin mit meinem Glück. All die zähen Kilometer der letzten Etappen machen plötzlich einen Sinn.

Segelfluggelände Fischbek

Ohne es zu merken, laufe ich für einige Zeit immer entlang der Grenze zwischen Hamburg und Niedersachsen. Links die Heide, rechts der Wald. Die Übergänge sind fließend, fast nicht zu sehen oder zu spüren. Erst bei Tempelberg gibt sich der E1 einen Ruck und lässt Hamburg ganz hinter sich. Jetzt wird auch der Weg wieder etwas eintöniger. Die Gedanken befassen sich immer öfter mit der Uhrzeit und ob ich es noch mit dem Tageslicht bis nach Buchholz schaffen werde.

An einer Weggabelung hole ich noch die letzte Banane aus dem Rucksack. Während dem Essen fällt mir an den Schildern auf, dass sich hier der E1 und der NST trennen. Ein ganzes Jahr hat mich der NST nun begleitet. Kurz denke ich darüber nach, meine Pläne zu ändern und dem NST zu folgen. Aber warum sollte ich das tun? Auch auf dem E1 werde ich weiterhin viele schöne Erlebnisse haben, werde durch Regionen laufen, die mir bisher unbekannt sind. Das Abenteuer hängt nicht vom Weg ab, es kommt mit dem Gehen.

Endspurt im letzten Sonnenlicht

Dann lass mal weiter gehen, die Dunkelheit rückt langsam näher. Noch eine ganze Weile lang muss ich durch den Wald laufen. Mit dem letzten Licht, schafft sich die Sonne nochmal kurz eine Lücke im Grau und verzaubert die Landschaft mit ihrem bunten Herbstlicht. Nur ein paar Minuten lang und doch so schön.

Ein letzter Sonnenschein lässt den Wald leuchten

In Steinbeck sind schon die Straßenlaternen an, als ich in den Ort hineinlaufe. Das hat doch vom Timing perfekt gepasst. Na ja, fast. Für den Wald zwischen Steinbeck und Buchholz muss ich dann noch kurz die Stirnlampe aus dem Rucksack holen. Ohne Licht wäre ich bei den vielen Wegen durch den Stadtwald ziemlich verratzt gewesen. Nach gut 38 Kilometern warte ich am Bahnhof mit viel Partyvolk auf den Zug nach Hamburg. Ich bin erschöpft und zufrieden. Die anderen suchen noch die Erschöpfung und Zufriedenheit für das Wochenende.


Der Verlauf meiner Etappe auf Komoot, entspricht nicht immer dem original Verlauf des E1. Manchmal habe ich mich verlaufen oder ich musste noch bis zum nächsten Bahnhof weitergehen. Die originalen Etappen habe ich vorher bei “Hiking Europe” heruntergeladen.

“Original-Track von Hiking Europe / Undeloh Bispingen”



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2 Comments

  • Michael-wandert

    sehr schön beschrieben! Und eine wirklich lange Etappe – zumal für den Herbst mit seinen schon kurzen Tagen. Auf die Schwierigkeiten bei der Überfahrt von Blankenese nach Cranz hatte ich Dich hingewiesen – es geht ja nur bei Flut. Eine Möglichkeit zur Überfahrt hättest Du von den Landungsbrücken rüber nach Finkenwerder gehabt. Die Busfahrt nach Cranz wäre so deutlich kürzer ausgefallen. Aber ich vermute, Du wolltest es so.
    Die Autobahnbaustelle hast Du offenbar gut gemeistert. Sie existiert und stört schon lange.

    Das Wandern macht ja nun immer weniger Spaß. Ich bin gespannt, ob Du noch ein Stück durch Niedersachsen gehen wirst. Du sprachst ja von Schnee. Weit entfernt ist er nicht mehr.

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