Auf dem E1 von Bispingen nach Soltau
Als die Augen langsam aufgehen, ist schon das erste zaghafte Licht von draußen zu spüren. Ich muss wohl sehr gut und fest geschlafen haben. Der Blick schweift über den Rucksack und auf das ganze ausgebreitete Brimborium. So wenig braucht man zum Wandern und doch lässt sich so viel Chaos damit veranstalten. Zum Glück ist das ganze Geraffel auch wieder schnell verpackt. Jetzt noch ein bisschen frisch machen und dann ab zum Frühstücken. Als einziger Gast darf ich aus dem Vollen schöpfen. Hätte ich doch mal vorher gesagt, dass mir Müsli, Kaffee und zwei Marmeladenbrötchen vollkommen ausreichen, dann hätte man den Käse, die Wurst etc. gleich im Kühlschrank lassen können.
Richtig zufrieden verlasse ich die Jugendherberge, zur letzten Etappe. Gleich hinter dem Gelände zweigt der E1, zwischen alter Bahnstrecke und Luhe, in den Winterwald ab. Entspannt geht es auf einem verschneiten Wirtschaftsweg voran, bis zu einem schön angelegten Waldspielplatz. Der Pfeil vom E1 zeigt quer über das Gelände. So viel Mühe ich mir auch gebe, ich kann nicht erkennen, wo oder wie es dann weitergehen soll. Dank der Schneedecke ist kein Pfad zu erkennen und im dichten Wald dahinter auch nicht. Versuch macht klug und tatsächlich versteckt sich am Ende des Spielplatzes der Beginn eines traumhaften Wanderpfades.
Wie im Flug verschwinden die Meter unter meinen Füßen. Noch ein kurzer Stopp an der Luhequelle und schon geht es weiter auf dem schmalen Pfad. Die Freude über den schönen Wanderpfad währt aber nicht mehr lange. Schon kurze Zeit später erreiche ich wieder die unvermeidlichen Wirtschaftswege. Auf der Suche nach halbwegs laufbarem Untergrund, geht der Wanderspaß auf den zerfurchten Wegen schnell verloren.
Kleine Fehler erhöhen die Freude
Irgendwo übersehe ich dann einen Abzweig. Der „Fehler“ fällt mir aber schon nach knapp 200 Metern auf. Zu Sicherheit schaue ich noch mal auf die Karte, stelle dabei fest, dass ich einfach weitergehen muss, um ein Stück weit parallel entlang einer Lichtung mit der eigentlichen Route zu laufen, um dann wieder mit ihr zusammenzukommen.
Kaum erreiche ich die Lichtung, kommt ein erster zarter Sonnenstrahl durch den Nebel. Der Schnee fängt an zu glitzern, die Landschaft bekommt Farbe und meine Haut wärmt sich im Sonnenlicht. Das ist wieder einer dieser Augenblicke, in denen ich einfach nur glücklich und dankbar für den Moment bin. Einen Moment, denn ich ohne Verlaufen nicht gehabt hätte. Ich würde jetzt auf der anderen Seite der Lichtung im Schatten laufen.
Der zarte Sonnenschein bleibt mir noch eine Weile erhalten. Selbst die Windräder, mit dem mystischen Pflaum aus Nebel um die Füße, erscheinen so als sanfte Fabelwesen. Bei Oeningen dann ein ganz seltener Anblick. Hier dürfen die Kühe des nahen Bauernhofs raus auf die Weide. Nein, keine Highland-Rinder oder andere robuste Rassen. Unsere ganz normalen, schwarz-weißen Kühe, wie man sie früher überall auf der Weide gesehen hat.
Die meinen das ernst
Hinter der Bahnlinie verläuft der E1 wieder in den Wald und schwenkt dann nach Soltau ab. Na dann ist es wohl bald geschafft, denke ich. Ja, denke ich. Wäre da nicht die Sperrung ohne Umleitung. Naja, die meisten Baustellen lassen sich zu Fuß ja doch durchqueren und erst recht an einem Sonntag. Ja, die meisten Baustellen, aber nicht diese. Hier fehlt schlicht die Brücke über die Große Aue. Und das mit der Sperrung meinen die ernst. Am Bauwagen hängt ein Schild für die weniger Einsichtigen – „Baustelle betreten verboten. Nicht für kurz. Nicht für eine Minute. Gar nicht“. Das ist wohl klar ausgedrückt.
Dann muss ich wohl wieder zurück gehen. Der Umweg ist überschaubar. Die Strecke entlang der B71 nach und durch Soltau, fühlt sich dagegen wie ewig an. Endlich dann der Abzweig in das Zentrum. Hier haben die ersten Buden für den Weihnachtsmarkt schon geöffnet. Danach ist mir nun noch so gar nicht. So beschleunige ich nochmal meinen Schritt, um möglichst zügig den Bahnhof zu erreichen.
Der besondere Automat am Bahnhof
Es dauert noch gut 20 Minuten bis den Zug kommt. Soltau hat zu Glück einen Bahnhof mit einem sauberen Aufenthaltsraum. Das ist doch deutlich besser, als auf dem zugigen Bahnsteig zu warten. Der Automat mit den Süßigkeiten wirkt magisch auf mich. Schnell ist die Auswahl getroffen und das Fach mit der Schokolade ausgewählt. Jetzt noch das Geld einwerfen und dann passiert das Wunder.
Die Spirale dreht sich und lässt meinen Wunsch mit einem deutlichen Plopp nach unten fallen. Dann aber dreht sich eine weitere Spirale und lässt die nächste Süßigkeit nach unten fallen. Und dann noch eine und noch eine und noch eine. Zu Schluss liegen neun verschiedene Leckereien im Ausgabefach. Wie auch immer das zustande kam. Ich freue mich über die zusätzlichen Kalorien und packe sie für die Reise nach Hause in meinen Rucksack.
Das wars lieber E1. Bis hierher warst Du ein schöner, langweiliger, abwechslungsreicher, anstrengender, lustvoller, hässlicher, spannender und noch vieles mehr, Wanderweg. Egal wie meine Empfindungen mit dir waren, jeden Kilometer waren sie wert. Und ich freue mich schon auf die vielen weiteren Kilometer die noch vor mir liegen. Ciao bis zum nächsten Jahr.
Der Verlauf meiner Etappen auf Komoot, entspricht nicht immer dem original Verlauf des E1. Manchmal habe ich mich verlaufen oder ich musste noch bis zum nächsten Bahnhof weitergehen. Die originalen Etappen habe ich vorher bei “Hiking Europe” heruntergeladen.