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Auf dem E1 von Billstedt nach Blankenese

Meine 19. und damit die letzte Etappe nördlich der Elbe auf dem E1 beginnt mit einer Suche. Ich steige ich in Billstedt aus dem Bus und suche erst einmal nach einer Toilette. Wandern durch eine Stadt sorgt nämlich für besondere Herausforderungen. Heute kann ich nicht einfach mal so schnell in die Büsche hüpfen. Besonders dann nicht, wenn das hinter Ende seine Rechte einfordert. Für diese Rechte ist dieser ÖPNV-Knotenpunkt nicht eingerichtet. Auch nicht das naheliegende Einkaufszentrum, dessen äußere Erscheinung spätestens mit dem Jahrtausendwechsel das Prädikat zeitgemäß nicht mehr erfüllt. Es ist am Sonntag geschlossen. So ein Sch…

Start in Billstedt

Für ein paar Fotos war dennoch Zeit. Jetzt geht’s aber los. Nächste Erkenntnis – die Wegmarkierungen sind spärlich bis fast gar nicht vorhanden oder zu finden. Das bleibt auch für den Rest des Tages so. Wie schön, dass wir heute Apps zum Navigieren haben. Wie doof, dass es Baustellen gibt. Dem Track nach müsste ich durch die tiefe Baugrube laufen. Ein fetter Zaum und ein Rest von gesundem Menschenverstand überzeugen mich zu einem Umweg. Kaum ein Meter fünfzig bleiben zwischen der hohen Bretterwand und den Hauseingängen. Mit Sicherheit ist es jetzt sehr interessant hier zu wohnen. Auch interessant ist mein Gesichtsausdruck, als ich das Ende des Weges an der Bretterwand sehe. Hier muss ich nun wieder zurück. Soviel Abenteuer hätte ich in Hamburg nicht erwartet.

Endlich erleichtert erleichtern

Der nächste größere U-Bahnhof bietet einiges an Gastronomie, aber auch hier suche ich vergeblich nach einer Toilette. Wo soll Mensch denn hier können dürfen, wenn er wollen muss? Langes Suchen verschärft nur die Situation. Also weiter. Keine hundert Meter entfernt, ein nett aussehendes Café. Vielleicht gibt es hier ein stilles Örtchen? Ich schaue rein. Es ist alles recht ansprechend, aaaber … das Örtchen fehlt auch hier. Schon wieder vor der Tür, kommt mir eine Familie entgegen und nutz einen ganz anderen Eingang zum Gebäude. Erst will ich vorbeigehen, dann fällt mir auf, dass der Eingang auch zum Café und zu anderen Einrichtungen im Haus führt. Neugierig halte ich meine Nase hinein und sehe eine Treppe nach unten, mit dem erlösenden Hinweis zu einer Toilette. Erleichtert freue ich mich aufs Erleichtern.

Hier ist der Weg zu Ende

Der E1 versucht so gut wie es geht die Stadtoptik zu meiden und führt oft durch Grünanlagen. Da die Anlagen meist nur schmale Streifen inmitten von Siedlungsfläche sind, kommt weder Stadt- noch Grün-Feeling auf. Dafür meldet sich mein Kaffee-Feeling bei mir. Da passt es doch, dass ich mich gerade wieder verlaufen habe und an einer der typisch deutschen Bäckereiketten vorbeikomme.

Von unsichtbaren und sichtbren Hamburgern

Mit frischer Energie versorgt erreiche ich die Innenstadt und stehe an der Alster. Fast unbemerkt, aber sehr plötzlich, haben sich die Häuser und die Menschen verändert. Mann und Frau zeigt sich in schick, passend zu den Bars auf den trendigen Steganlagen, den Segelbooten die über die Alster ziehen und den Häusern wie das Altlantic Hotel. So mit Rucksack und Wanderschuhen komme ich mir selbst zwischen den vielen sportlich gekleideten Läufern ein bisschen schräg vor.

Leben unter der Brücke

Gefühlt teilen sich die Hamburger in drei Gruppen auf. Eine Gruppe sitzt im Auto, eine andere flaniert und der Rest ist am rennen was das Zeug hält. Eine Gruppe scheint mir aber immer unsichtbar sichtbar zu sein. Hier unter Brücke lebt ein Teil von ihnen, im ziemlich abgewetzten Zelten. Von den Obdachlosen ist im Moment zwar niemand zu sehen, dennoch komme ich mir seltsam vor. Als würde ich durch ihren Vorgarten laufen – in ihre Privatsphäre eindringen.

Die Gedanken sind frei

Es fängt an zu regnen und ich spiele mit dem Gedanken meinen Wandertag zu beenden. Die Regenjacke habe ich zuhause gelassen und dort oben ist der Bahnhof Dammtor. Es würde gerade so gut passen. Ein Blick auf die Wetter-App bestärkt mich in diesem Gedanken.

„Aber was fällt den Gedanken denn ein, so zu denken“, denke ich.

„Lasst das, ihr Gedanken. Wir gehen weiter“.

Gedacht, getan. Die Beine bewegen sich brav weiter und der Kopf befasst wieder mit der Umgebung.

Hamburgs Parkanlagen

Planten und Blomen heißt der Park, der einst die gesamte Innenstadt als Grüngürtel umschlossen hat. Eine der vielen Läuferinnen, die auch wieder unterwegs sind, fällt mir besonders auf. Sie läuft barfuß und wann immer möglich, läuft sie über die Rasenflächen. Irgendwie beneide ich sie gerade, wie sie sich so leichtfüßig über das feuchte Grün bewegt. Das würde ich meinen Füßen jetzt auch gerne gönnen.

Ab durch den Hafen

Das Tönen der Schiffe kündigt den kommenden Hafen an. Keine fünf Minuten und vom Stintfang aus, eröffnet sich der Blick über die Elbe und die Landungsbrücken. Es ist Sonntag, das Wetter ist hamburgisch grau und trotzdem steppt dort unten der Bär. Na dann lass mal mitsteppen. So viele Menschen hätte ich bei diesem Wetter nicht erwartet. Und wieder fühle ich mich mit meinen Wanderklamotten etwas deplatziert. Selbst in Regenklamotte macht der Hamburger und die Hamburgerin noch eine gute Figur. Warum sollte man sich auch vom Wetter den Stil versauen lassen.

Die Elphi von den Landungsbrücken aus gesehen

Der E1 führt nun entlang des Fischmarkts und schwingt sich über die Köhlbrandtreppe die steile Geestkante nach oben. Genaugenommen macht der E1 hier zwar eine Schleife an der Straße entlang aber warum soll ich dem Weg folgen, wenn hier so eine schöne Treppe wartet. So mogle ich ein paar Meter E1 weg. Von hier oben gibt es immer wieder schöne Ausblicke auf die Elbe und so vergeht der Abschnitt wie im Flug.

Endspurt am Elbufer

Auf der Höhe Othmarschen, begebe ich mich wieder in die Niederungen der Elbe. Die hübschen Häuschen in Övelgönne und der weite Elbstrand, locken auch hier wieder die Menschen an. Für mich, als Fan des Flussschwimmens, wäre das ein Traum hier zu Wohnen. Ab vor die Tür und rein ins Wasser.

Hafen Teufelsbrück bei Ebbe

Die Kleidung der Flanierenden wird nun noch ein bisschen schicker und die Autos ein wenig größer. Ich habe Blankenese erreicht. Das Treppenviertel des Hamburger Stadtteils ist einen eigenen Besuch wert. Ich bleibe heute unten an der Elbe und erreiche das Ende der heutigen Etappe. Mit den letzten Schritten runter zum Fähranleger, habe ich nun 508 Kilometer nördlich der Elbe zurückgelegt. Irgendwie habe ich ein – ein ja was – erwartet. Naja, dass der Moment irgendwie etwas Besonderes ist. So schaue ich über die graue Elbe auf das gegenüberliegende Ufer und die Ladekräne. Der E1 verschwindet gefühlt im grauen Wasser und nichts deutet darauf hin, dass es dort hinten noch über 1.400 Km bis zum Bodensee zu entdecken sind.


  • Start in Billstedt

Der Verlauf meiner Etappe auf Komoot, entspricht nicht immer dem original Verlauf des E1. Manchmal habe ich mich verlaufen oder ich musste noch bis zum nächsten Bahnhof weitergehen. Die originalen Etappen habe ich vorher bei “Hiking Europe” heruntergeladen.

“Original-Track von Hiking Europe / Undeloh Bispingen”



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4 Comments

  • Michael-wandert

    Na, Wolfgang, da kommt Hamburg in Deiner Schilderung ja nicht so gut weg. Dabei hat Hamburg so viele schöne Seiten.
    Ich bin gespannt, ob Du in diesem Jahr noch auf die andere Seite der Elbe wechselst. Die Fähre von Blankenese jedenfalls fährt nur bei Flut!

    • Wolfgang Kromat

      Hallo Michael,

      ich mag Hamburg sehr und gerne hätte ich mich in schick unter die Hamburger gemischt. Nur so in Wanderklamotte kam ich mir schon ein bisschen schräg vor.
      Einer meiner Lieblingsorte in HH versteckt sich ein bisschen. Es ist eine Tankstelle aus den 50ern. Heute ein Treffpunkt für Oldtimer-Freunde https://www.tankstelle-brandshof.de/

      Am letzten Samstag bin ich in Buchholz angekommen. Aber noch nicht weitererzählen.

      Frische Grüße aus der Bucht

      Wolfgang

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