Tochter und Vater auf dem MainRadweg / Tag 7
Von Volkach nach Sand am Main, 65.45 km, 4:03 Std. Fahrtzeit
Was sich am Vortag schon angedeutet hat, wird sich heute noch ein wenig verstärken. Das Maintal wird weiter und der Fluss tritt langsam in den Hintergrund. Auch die Etappen zwischen den Highlights für Jarla, werden gefühlt länger. Aber immer schön der Reihe nach. Noch wissen wir ja nicht was der Tag uns bringen wird.
Der Himmel strahlt wieder im schönsten Blau, die Luft ist noch frisch und er Fahrtwind zaubert noch ein bisschen Gänsehaut auf die nackten Arme. Wir lassen die Wallfahrtskirche Maria im Weingarten langsam hinter uns. Schon eine Mainschleife später ist der nächste Halt angesagt. Zum einen wandern die Jacken in die Taschen, zum anderen zieht ein Schwimmbagger im grünen See die Aufmerksamkeit von Jarla auf sich.
Versandet, gestrandet und wieder ausgegraben
Im Laufe seiner vielen tausend Jahre, die der Main schon in diesem Tal verbringt, hat er des Öfteren mal seinen Verlauf geändert. Mit jedem Hochwasser brachte er Tonnen von Sedimenten in seinen Flusslauf mit, die er in den Flußbögen als Sand- und Kiesbänke ablagerte. Das was er uns zurückgelassen hat, graben wir mit schwerem Gerät heute wieder aus. Es dient uns als Rohstoff für Elektronik, zur Glasherstellung und vielen anderen Dingen. 95 % jedoch verbraucht alleine die Bauindustrie. Pro Nase verbrauchen wir so in unserem Leben, über 300 Tonnen Sand.
Bei Wipfeld kreuzen wir das erste und leider auch das einzige Mal, den Main auf einer Fähre. Auf allen Fähren die wir bisher benutzten, kam eine Person zum Kassieren zu uns. Hier ist es anders. Die Passagiere gehen zum Fährmann. Vorher bringt er den alten ratternden Kahn nicht in Fahrt. Fährfahrten waren schon in meiner Kindheit etwas Besonderes. Viel mehr als Brücken, verbanden sie das unbekannte Ufer mit dem Abenteuer der Überquerung, eines trennenden Flusses. Über eine Brücke fährt man einfach nur hinüber. Eine Fährfahrt muss man geschehen lassen. Es riecht nach Wasser, Anstrichfarbe und Diesel. Während sich die Nase mit dem Geruch befasst, sehen die Augen fremdes Land auf sich zukommen und die Ohren lauschen den Dieselmotoren. Eine Fährfahrt spricht alle Sinne an. Auch meine Fantasie.
Wie erklärt man einem Kind das Unerklärliche?
Kurz vor Schweinfurt ragen zwei graue Türme in den bayrisch blauen Himmel. Dort wird das Wasser des AKW Grafenrheinfeld, wieder auf eine für den Main erträgliche Temperatur herunter gekühlt. Ich finde die Perspektive klasse und das Kraftwerk gehört auch mit zum Main. Daher halten wir für
einen Fotostopp an. Jarla ist irritiert darüber. „Warum willst du das hässliche Ding den Fotografieren?“ fragt sie verwundert. Nachdem ich ihr den Grund mitgeteilt habe, dass es auch ein Stück des Mains ist, entwickelt sich über das AKW ein Gespräch. Über die Risiken des Betriebs eines solchen Kraftwerks, über die Lagerung von Atommüll während der Laufzeit und erst recht über die Zeit danach. Jarla ist an solchen Themen sehr interessiert und weiß eigentlich alles darüber, was ein elfjähriges Kind verstehen kann.
Doch alle meine Versuche zu erklären, dass der Müll über viel 1.000 Jahre sicher gelagert werden muss, scheitern wieder einmal. Ich selbst kann es mir schon nicht vorstellen, wie viele Generationen von Jarlas noch geboren werden und wieder sterben bis der Müll keine Gefahr mehr birgt. Für Jarla selbst liegt diese Vorstellung etwa so weit entfernt, wie von hier bis zum Ende unserer Galaxie. Ihr fehlt auch jegliches Verständnis dafür, wie Erwachsene Kindern sagen können, sie müssen heute schon an ihre Zukunft denken, wenn sie selbst nicht wissen wie sie mit den Folgen ihres Tuns in der Zukunft umgehen sollen.
Schönheit ist eine Frage der Perspektive
Bevor wir nach Schweinfurt kommen, strahlen die Farben einer Industrieanlage mit dem blauen Himmel um die Wette. Davon sollte ich nun unbedingt ein Fotomachen, meint Jarla und ich bin doch etwas verwundert. Wie war das mit dem Bild vom AKW? Ok, wenn du es so möchtest denke ich mir, dann soll es so sein. Schließlich sind wir zusammen auf der Reise und jeder möchte seine Andenken mit nach Hause nehmen. Dann geht es aber zügig weiter, bis wir am Main einen netten Biergarten finden. Etwas zu essen muss jetzt sein und gaaanz viel zu trinken. Die Temperatur sind schon wieder über 30 Grad gestiegen.
In Haßfurt Weinfest müssten wir eigentlich eine Umleitung fahren. Dieses Wochenende gehört die Innenstadt den Weinliebhabern. Wir wollen uns das Fest zumindest einmal anschauen und lassen uns zu Fuß im Getümmel durch die Straße treiben. Mit unseren vollgepackten Rädern fallen wir schon ein bisschen auf, zwischen all den sommerlich leicht gekleideten Festgästen. Gerne würde ich mich im Schatten eines Schirms dazu setzen, die fränkische Gastfreundschaft und den Wein genießen. Die Gastfreundschaft wäre auch sehr angenehm, aber mehr als ein Glas Wein bei dieser Hitze, würde mein Fortkommen wahrscheinlich massiv behindern.
Backpflaumenmäßiges Wetter
Ausgetrocknet wie die Backpflaumen erreichen wir den Campingplatz in Sand am Main. Der Rollladen am Rezeptionsgebäude ist bis auf einen kleinen Spalt heruntergelassen. Es sieht verlassen aus. Etwas weiter sitzen einige Personen auf der Terrasse vor dem Kiosk. Dort wird es schon jemand geben, der uns weiter helfen kann, denken wir und schieben unsere Räder dorthin. Unter dem Vordach sitzen eine etwas fülligere Frau und zwei Männer. Sie unterhalten sich angeregt. Wir grüßen freundlich, die Anwesenden grüßen beiläufig zurück. Sonst geschieht nichts.
Wir wollen schauen, ob wir im Kiosk Informationen finden, wo und wie man sich hier anmelden kann. Doch es findet sich auch hier nichts und schon gar nicht jemand ansprechbares. Die Frau von der Terrasse kommt hinter uns her und fragt was wir wollen.
„Wir suchen jemanden zum Anmelden“, antworte ich.
Darauf die etwas unwirsche Antwortn der Frau: „Das ist ein Kiosk, da kann man sich nicht anmelden. Dafür müssen Sie ins Büro“.
Ich bedanke mich und will fragen wo ich dann hingehen muss. Im Empfangsgebäude saß ja Niemand. Da eröffnet uns die Frau wir sollen mitkommen. In diesem Moment fühlen wir uns beide etwas verar… . Im Büro sitzt sie nicht, weil sie lieber mit ihren Herren ein kühles Blondes trinkt und nachdem sie uns gesehen und noch vor dem Kiosk begrüßt hat. Lässt sie uns hineingehen, auf sie warten um uns dann zu sagen, dass wir falsch sind. So eine d ….. Nachdem Einchecken im Büro, dürfen wir dann wieder in den Kiosk gehen, um uns in die Brötchenliste einzutragen.
Nachdem wir uns dann noch einen Rüffel eingefangen haben, weil wir versehentlich unser Zelt auf dem falschen Platz aufbauen wollten, es sind fast alle Plätze frei, können wir endlich mit dem Aufbau unserer tausend Sterne Hotels anfangen. Die Wochenlange Trockenheit und Hitze, hat aus dem Rasenboden eine Beton ähnlich Masse gemacht, in der sich nur mit viel Geduld und Kraft die Zeltheringe hineinzwingen lassen. Die dürren, braunen Borsten möchte man schon gar nicht mehr als Rasen bezeichnen. Sicherlich ein recht ordentliche Rasenfläche, wenn sie grün ist. Jetzt würden sich nur noch Wüstenbewohner an den trockenen Halmen erfreuen. Zum Glück steht unser Zelt auch ohne Heringe recht passabel.
Nach dem Rüffel folgt der Badespaß
Nach dem Zeltaufbau suchen wir am Baggersee erst einmal das kühlende Nass auf. Gegenüber den angelegten Badestränden, ist der Sand- und Kiesabbau noch aktiv und sorgt so für die Erweiterung dieses Refugiums.
Das Abendessen, bestehend aus Reis mit einer Soße, fällt wie immer recht einfach aus. Danach vertreiben wir uns die Zeit noch etwas mit Frisbee-Spielen. Der Junge aus dem Nachbarzelt schaut uns lange zu, bis er sich ein Herz fasst und fragt ob er mitspielen kann. Klar kann er. Ist ja echt blöd, dass ich ihn nicht selbst gefragt habe, ob er Lust hat mitzuspielen. Er saß doch die ganze Zeit alleine vor den Zelt und langweilte sich sichtlich.
Während des Spiel unterhalten wir uns natürlich über unsere Radtouren und erfahren dabei, dass Robert, so heißt der Junge von nebenan, schon auf zwei weiteren Campingplätzen vorher mit uns übernachtet hat, ohne, dass wir uns dort getroffen hätten. Und weil die Welt ja besonders klein ist, erfahren wir nun noch, dass er aus Hamburg kommt und als kleines Kind in Eckernförde in den Kindergarten ging.
So langsam geht die Sonne unter und die Frisbee-Scheibe ist immer schlechter zu sehen, es ist Zeit ins Bett zu gehen. Jetzt kommt auch Roberts Papa wieder auf den Platz. Er spielt den Pizzaservice und war im Dorf die leckeren Fladen einzukaufen. Wir wünschen einen guten Appetit und verziehen uns ins Zelt.
Unsere Radtour entlang des Mains, habe ich diesmal nicht aufgezeichnet. Tracks und Infos gibt es in Hülle und Fülle, da muss ich nicht auch noch die Datenwelt vollmüllen. Die Route mit vielen Tipps, kann man unter anderem auf der offiziellen Seite des Mainradwegs anschauen und auch herunterladen.