Deutschland der Länge nach / Eckernförde – Ascheberg
Heute dauert das Packen schon deutlich länger. Von jetzt an reist der gesamte Hausstand, für die nächsten Wochen, auf meinem Fahrrad mit. Ordentlich aufgeteilt in zwei großen und zwei kleinen Taschen, finden sich Schlafzimmer, Küche, Kleiderschrank und Wohnzimmer wieder. Mein tausend Sterne Stoffhotel bekommt hinten einen Extraplatz, quer über den Gepäcktaschen. Mit dem ungewohnt hohen Gewicht am Fahrrad, fühlen sich die ersten Kilometer in Richtung Nordostseekanal, noch ziemlich unsicher an. Das Rad reagiert träge auf die Lenkbefehle und die Löcher in den Radwegen sind plötzlich doppelt so tief. Und schon an der ersten kurzen Steigungen der Straße spüre ich den direkten Zusammenhang zwischen Erdanziehung und Gewicht. Nicht besonders zuversichtlich denke ich an das, was mich spätesten im dem Harz erwarten wird.
Erster Stopp am Kanal
Auf dem Gut Sehestedt mussten die Menschen noch zehn Jahre länger ihren Herren dienen, bevor Sie ab 1800 ihre Freiheit genießen durften. Eine Kuriosität des Gutes, ist allerdings weitaus interessanter. In einer alten Halle befindet sich die Ausstellung für
„Nutzkunst“. Vor der Halle stehen völlig ungesichert stehen einige der wertvollen Exponate vergangener Epochen im Freien und doch scheint sie kein Mensch unrechtmäßig von dort entfernen zu wollen. Unbehelligt stapeln sich einige alte Holzkisten von Carlsberg Bier, liegen Gabeln auf grünspanigen Tellern und altes Gartengerät rostet um die Wette vor sich hin. Gut dass ich weiß, dass es durchaus lohnenswert sein kann, ab und an das innere der Halle zu durchstöbern. Hier stehen die interessanten Stücke der Ausstellung. Möbel aus vergangenen Zeiten, Accessoires mit Großmutters Touch und viele andere Stücke aus von den Dachböden der Region warten hier auf einen neuen Besitzer.
Very Important Laster an Bord
An der Kanalfähre in Sehestedt wartet ein LKW mit Gas auf die Überfahrt. Nachdem die Fähre ihre Last des gegenüberliegenden Ufers hier geordnet aufs Festland entlassen hat, darf der Gaslaster nun ganz alleine auf die Fähre. Alleine heißt, auch ohne die fünf Fahrradfahrer, die wie ich auf eine Überfahrt warten. Erst mit der nächsten Überfahrt dürfen nun auch wir auf die Südseite des Kanals wechseln. Genau genommen verlassen wir jetzt die Insel auf der Nord-Schleswig-Holstein und Dänemark liegen. Mit der Schaffung des Kanals zwischen Nord- und Ostsee ist der Norden Schleswig-Holsteins mit Dänemark komplett von Wasser umschlossen.
Auf dem Kanal ist, bis auf die kleine Fähre, heute kein einziges Schiff zu sehen. Wo sonst alle denkbaren Güter auf großen Frachtschiffen in die ganze Welt transportiert werden, schwappt das Wasser nur von der Fähre bewegt, träge an die Uferbefestigung. Am Rhein aufgewachsen und dort die meiste Zeit meines Lebens verbracht, fasziniert es mich immer wieder wenn die richtig großen Pötte durch diesen schmalen Kanal fahren.
Sonst fahre ich von hier wieder nach Hause
Am Westensee erwartet mich die erste richtige Steigung. Kurz aber knackig, schlängelt sich die schmale Straße durch einen Redder steil nach oben. Redder heißt es, wenn sich auf beiden Seiten der Straße ein Knick befindet. So wertvoll diese Redder für die Tierwelt
sind, so sehr versperren sie auch den Blick in die Landschaft. Auf manchen Wegen fühlt es sich an, als würde der Weg durch einen grünen Tunnel führen. Solche kurze, knackige Anstiege sind nicht selten im Osten Schleswig-Holsteins. Wo es doch sonst heißt, das Land sei flach. Der Anstieg wird nach der nächsten Kurve mit einem Rastplatz unter hochgewachsenen Bäumen und einem verträumten Blick über den Westensee belohnt. Perfekt um die erste Pause der Tour einzulegen. Hier ist normal auch der Wendepunkt meiner Tagesradtouren. Normal fahre ich jetzt links rund um den See und dann wieder zurück nachhause. Ab jetzt betrete ich Neuland. Noch nie bin ich mit dem Fahrrad an der Kreuzung nach rechts abgebogen.
Prügelstrafe für Radfahrer
Vorbei an dem Örtchen Honigsee ist der Radweg absolut kein Honigschlecken der erste Tag geprägt durch das kleine aber leider sehr treffende Schild Radwegschäden. Steht es am Anfang klein und noch etwas verschämt am Straßenrand, neben einem Baum, wird es auf dem weiteren Weg meist noch von einem großen Achtung Schild gekrönt. Und aufpassen ist wichtig. Sonst wird man von den teilweisen Bratpfannen großen Schlaglöchern und sich aufbäumenden Wurzelaufrissen, vom Fahrrad abgeworfen. Auf solchen Wegen mit dem schwer beladenen Rad zu fahren ist alles andere als eine Freude. Und vor lauter Schlagloch gucken, bleibt der Landschaftsgenuss auf der Strecke.
Gut durchgerüttelt und mit weichgeklopften Hinterteil, erreiche ich am späten Nachmittag meinen ersten Campingplatz in Ascheberg am Plöner See. Britt und Hansi, die beiden Inhaber des Campingplatzes sind nicht auf dem Platz. Auf einem großen Schild am Eingang steht ihre Telefonnummer, dort soll man sie anrufen. Britt meldet sich leicht gestresst aber freundlich. Natürlich darf ich auf dem Platz mein Zelt aufbauen. Da ich aber morgen schon gegen neun wieder starten möchte, bittet Brit mich die sechs Euro Platzgebühr unter die Fußmatte am Eingang des Gebäudes zu legen. Sie zieht gerade aus dem Süden Schleswig-Holsteins hierher auf den Campingplatz, den Sie gerade erst frisch gepachtet hat und sie wird es wohl nicht schaffen so früh auf dem Platz zu sein.
Gute Nacht mit Bahnanschluss
Zum Glück ist meine Freundin nicht mehr mit auf Tour, sie hätte sonst wegen des Zustandes der Sanitären Anlagen sofort und unter Protest den Platz verlassen. Ich bin diesbezüglich etwas robuster und schaue mit zugekniffenen Augen über die schwarzen Schlieren an den Duschwänden hinweg. Nach einiger Zeit Wegschauen kann ich der Versuchung nun doch nicht widerstehen und wische ein wenig mit der Hand über die Duschwände. Ohne Reinigungsmittel löst sich der schwarze Belag und verschwindet im Abfluss. So einfach könnte es sein. Einmal abwischen genügt und schon ist die Dusche wieder sauber. Da es nicht zu meinen Aufgaben gehört stelle ich die Reinigungsarbeiten wieder ein und achte darauf möglichst wenig mit Wänden und Boden in Kontakt zu kommen.
Unter Apfelbäumen und mit Blick auf dem See, gehört der Campingplatz eigentlich zu den schöneren. Wenn da nicht die Straße und die Bahngleise für eine ständige Lärmkulisse sorgen würden. Im halb Stundentakt rauschen direkt vor dem Platz die Züge durch. Die Autos bremsen, der Zug rattert über die Gleise, die Schranken gehen auf und alle Autos fahren wieder los. So geht das bis kurz nach Mitternacht, dann ist für kurze Zeit Ruhe. Früh morgens gegen fünf Uhr, beginnt dann der spaß wieder von vorne. Gute Nacht.