Zu Fuß von Schierke nach Bad Harzburg 1.Tag

Der Morgen begrüßt uns mit einem Sonnenaufgang über dem Brocken. Die Stämme der Bäume leuchten golden und die Luft riecht angenehm frisch nach morgendlichem Wald. Nach dem Duschen ist das Zelt schnell verpackt und wir machen uns erst mal auf den Weg nach Schierke, um eine Bäckerei zu finden. Wir wollen gut und gemütlich frühstücken vor unserer Brocken Erstbesteigung. Die ersten Sonnenstrahlen locken nach draußen an die Tische vor der Bäckerei.

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Campingplatz Schierker Stern

An den Nachbartisch setzten sich zwei weitere Wanderer. Ihre Rucksäcke verraten, dass sie einige Etappen mehr und beladen mit dem gesamten Zeltgeraffel unterwegs sind. Einem Schuh war die Wanderei der beiden jungen Männer wohl jetzt zu viel, er weigert sich mit akuten Auflösungserscheinungen an der weiteren Mitgeharbeit.

„Nach acht Jahren“, so erzählt uns der der Träger des erschöpften Schuhs, „hat sich von jetzt auf nachher einfach die Sohle abgelöst“.

Zur Demonstration klappt er die Sohle auf fast der gesamten Länge auf und ab. Es schaut so aus, als wolle der Schuh gleich zubeißen. Notdürftig mit einigen Schnüren zusammengebunden, muss er noch bis Schierke halten. Von hier aus geht es nun ungeplant mit dem Bus weiter.

Im Laufschritt oder wartend, jeder wie er mag

Nach dem Frühstück verabschieden wir uns voneinander und verlassen Schierke in Richtung Brocken. Zum Anfang gleicht der Weg einer breiten Forstautobahn. Doch schon nach kurzer Zeit zweigt der Weg zum Brocken nach rechts ab und verändert dabei sein Gesicht. Von nun an windet sich ein schmaler Pfad durch die hochgewachsenen Tannen. Über eine Holzbrücke überqueren wir einen quirligen Bach und nach und nach legen sich uns immer mehr Steine in den Weg. Stein für Stein arbeiten wir uns die Höhenmeter nach oben.

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Aufstieg zum Brocken

Während wir schon das Gefühl haben, im Gegensatz zum Tempo vieler anderer, den Berg schnell nach oben zu gehen, hören wir aus der Ferne scharfe Kommandos. Schnell kommen die Stimmen näher und schon zieht eine Gruppe bestens durchtrainierter Männer und Frauen im Laufschritt an uns vorbei, den Berg hinauf.

Kurze Zeit später treffen wir wieder auf die Gruppe. Nein, sie manchen keine Pause. Der Chef der Gruppe zählt nun die Liegestütze, die im Eiltempo absolviert werden. Bei 30 Liegestützen ist Schluss. Dann heißt es sofort wieder aufstehen und weiter rennen. Es dauert nur wenige Atemzüge, dann können sich die ersten auch schon wieder beim Laufen unterhalten. Selbst ohne Liegestütze würde ich bei dem Tempo kein Wort mehr herausbringen.

Unser Tempo ist mir auch viel lieber. So bleibt genug Zeit, die Veränderungen im Wald wirklich wahrzunehmen. Veränderungen, die zum Beispiel der Borkenkäfer hervorgerufen hat. Die weit in den Himmel ragenden grauen Skelette der Bäume wirken im Kontrast zum blauen Himmel fast schon wie Skulpturen eines Künstlers. So gesehen ist der Borkenkäfer denn auch ein Künstler. Gibt er doch der Natur ein ganz neues Gesicht und schafft Raum für neue Kreationen.

Husch, husch ,husch die Brockenbahn

An den Bahngleisen wartet eine Gruppe Kinder allem Anschein nach auf ein besonders Ereignis. Als ein Relikt aus längst vergangen Tagen, bringt hier die Brockenbahn, als weitere Attraktion im Nationalpark,   Touristen auf den höchsten Berg Norddeutschlands. Schon lange vorher, kündigt sie sich mit lautem Pfeifen bei ihren Zuschauern an. Bei jedem Tuuut steigt in der Kinderschar die Aufregung. Jetzt kommt sie. Dauert wohl doch noch einen Moment. Jetzt kommt sie aber doch. Mmmh?! Jetzt aber kommt sie mit Sicherheit.

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Die Brockenbahn

Das Tuten wiederholt sich noch einige Male und in der Zwischenzeit ist die Gruppe der Wartenden angewachsen. Die Kameras sind eingestellt, der Standpunkt ausgesucht, jetzt fehlt nur noch der eigentliche Star. Endlich ist es dann soweit. Fauchend und ganz fürchterlich qualmend, kommt das schwarze Stahlross hinter den Bäumen hervor. Die Kinder sind ganz aus dem Häuschen, die Kameras klicken und der Wald hüllt sich in einen Dunst, der das Atmen schwer und kratzig werden lässt. Ich versuche mir vorzustellen, wie es zur Dampflokzeit auf einem Bahnhof wie Frankfurt wohl gerochen hat.

Ein Mantra hilft beim Aufstieg

Kaum ist die Bahn vorbei gefahren, setzt sich die Schar der Wartenden in Bewegung. Mit jedem Meter über den steinigen Weg bergan, wird das Gejaule der Kinder lauter und nachdrücklicher. Ich kann nicht mehr, ich bin verdurstet, das ist viel zu weit.

“Weiter, weiter, weiter”, Schritt für Schritt erklimmt eines der Mädchen ein kleines Stückchen des übermächtigen Bergs, der noch vor ihr liegt. Ihr kraftlos dahingehauchtes Mantra bringt sie voran. Schritt für Schritt für Schritt für Schritt für Schritt, solange bis sie kurz nach uns die Spitze der Gruppe erreicht. Dort sitzt die kleine Schar der Motivierten und warten auf die Nachzügler. Die ersten von ihnen fangen schon an zu nörgeln, sie wollen weiter. Wollen hoch auf den Gipfel. Auf den hochschleichenden Rest zu warten, dauert ihnen viel zu lange.

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Zwischen grüner Pracht und Borkenkäfer

Die letzten eineinhalb Kilometer geht es nun auf der Zufahrtsstraße zum Brockengipfel weiter. Unser Weg vereinigt sich nun auf den letzten eineinhalb Kilometern mit einigen anderen Wegen, zum finalen Anstieg. Es ist nochmal 27 Grad warm geworden. Kein Baum gibt mehr Schatten. Von oben heizt die Sonne, unter uns der Asphalt. Zusammen mit gefühlten 20% Steigung, verdunstet so auch der letzte Rest an Flüssigkeit aus dem Körper.

Auch wenn ich mir vorkomme wie eine Schnecke, überholen wir dennoch immer wieder andere Brockenbezwinger. Auch Radfahrer bahnen sich Kurbelumdrehung für Kurbelumdrehung ihren Weg nach oben. Darunter einige, die sich von einem Elektromotor unterstützen lassen. Welch ein Frevel denke ich mir. Oder spricht aus mir vielleicht doch nur der Neid?

Freier Blick ins flache Land und ein Radler für Wanderer

Oben angekommen weht zumindest ein laues Lüftchen und lässt den Schweiß schnell wieder verdunsten. Weit können wir in das flache Niedersachsen schauen. Hier oben gibt es fast nichts, außer dem Dunst im Tal, das den freien Blick ins nördliche Deutschland versperrt.

Den Menschenmassen nach zu urteilen und nach  denen, die mit Fotoapparat auf dem Bahnsteig stehen, wird wohl auch bald die Brockenbahn hier oben eintreffen. Also stellen wir uns brav dazu, holen erneut den Fotoapparat raus und warten. Erst raucht es hinter dem Berg, dann pfeift es und dann kommt das schwarze Ungetüm um die Ecke, gefüllt mit neuen “Brockenbezwingern”. Bevor der Schwall der Menschen aus dem Zug sich auf die Ausgabestellen für Flüssigkeiten stürzt sehen wir zu, dass wir uns auch auf den Weg dorthin machen. Schließlich wollen wir in der Schlange nicht die Letzten sein.

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Flach ist es im Norden

Brotzeit auf dem Brocken

Ein Radler für den ausgetrockneten Wanderer und ein Sonnenplatz auf einem kleinen Stück Wiese. Wie einfach ist es doch für mich, zufrieden zu sein. Die mitgebrachten Brötchen schmecken, selbst auf den Berg getragen, gleich doppelt so gut.

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Auch die Füße brauchen Sonne

Jetzt wo Radler und Brötchen uns gestärkt haben, können wir uns wieder auf den Weg machen. Regeneriert und ausgeruht, laufen wir jetzt den vielen ausgetrockneten Gestalten entgegen, die immer noch zum Gipfel pilgern. Jetzt erst, wo das Laufen wieder leicht fällt, fallen uns auch die vielen Schmetterlinge am Wegesrand auf. Am Abzweig zum Götheweg, machen die Kutscher eine kurze Pause, damit die durchgeschwitzten Pferde vor den Gespannen vor dem Gipfel nochmal etwas ausruhen können. Beim Anblick der verschwitzten Tiere denken wir uns, dass wir nicht einen einzigen Tag vor so einer Kutsche verbringen wollten, um Touristen über den Asphalt die steile Straße hoch zu zerren.

Vom Götheweg in die Wildnis

Auf dem ersten Kilometer, präsentiert sich der Götheweg als bestens präparierte Touristenpiste entlang der Brockenbahntrasse. Um nicht auf dieser Hauptroute bis nach Torfhaus laufen zu müssen, habe ich einen Weg auf der Karte ausgesucht, dessen Höhenlinien gesunde Knie voraussetzen. Kaum sind wir von der Hauptroute abgebogen, wird Weg und die Landschaft wieder wild. Über Stock und Stein, über kleine Wasserläufe hinweg, laufen wir Höhenmeter für Höhenmeter den Berg hinunter. Zwischen den Bäumen hören wir das Rauschen des kleinen Baches, der uns das Tal hinunter begleitet. So stelle ich mir Wildnis schon viel eher vor.

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Abseits der Hauptwege

Kurz vor unserem Ziel Torfhaus, müssen wir einen Teil der vernichteten Höhenmeter wieder hinauf steigen. Oben angekommen, werden wir zuerst von einem riesigen Parkplatz und den touristischen Verzehreinrichtungen empfangen. Während sich in der Gastronomie noch einige Gäste befinden, ist das Nationalpark-Infozentrum erstaunlich leer. Wir kaufen uns dort noch eine Wanderkarte um den nächsten Tag noch etwas besser planen zu können und dann laufen wir noch die letzten Meter bis zur Jugendherberge. Hier wollen wir die Nacht verbringen.



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