Zwischen Rum, Nolde und Störchen / 1. Tag
Von Flensburg nach Niebüll
Flensburg mit seiner schmucken Innenstadt, den kleinen Seitengassen und am Hafen die Museumswerft, sind mir von vielen anderen Besuchen reichlich bekannt und geschätzt. So kann der Besuch heute ausfallen. Los geht’s direkt vom Bahnhof aus, am Hafen vorbei. Die Häuser im Hafenviertel könnten mit Sicherheit einige spannenden Geschichten aus vergangener Zeit erzählen. Zeiten, wo der Hauptzweck von Häfen der Warenumschlag war, Zeiten von seemännisch robuster Gesellschaft aus aller Herren Länder, Zeiten wo Häfen alles andere nur keine Flaniermeilen waren. Ein bisschen vom Charme vergangener Zeit ist noch zu erkennen. Die Hafenstraße hat, wie es Makler zu sagen pflegen, noch Entwicklungspotential.
Zum ersten Mal verlasse ich Flensburg in Richtung Dänemark. Rechts und links der Straße stehen alte und neue Industriegebäude. Auch sie sind Zeugen einer Zeit, als der Seehandel, Fischerei und das besondere Gewerbe für Seeleute und andere Nutzer des rot belichteten Bezirks, noch einen erheblichen Teil zum Wohlergehen der Stadt beigetragen haben. Vieles wirkt eher abweisend, einiges erzählt Bruchstücke einer lebhaften Vergangenheit, Anderes fällt gerade den Stadtplanern zu Opfer.
Ein Stück weit will ich noch der original Grenzroute folgen, dann, so ist der Plan, soll es ab der dänischen Grenze möglichst ohne Umwege auf die Route Nr. 8 gehen. Vorerst aber, überrascht ein besonders schöner Ausblick auf die Flensburger Förde. Voraus liegt ein Strand und dahinter kräuselt sich die Ostsee in dunkel-, mittel, himmelblauer Schattierung. Der Wind und die Sonne haben Scharen von Seglern auf das Wasser gelockt. Hunderte kleiner weißer Zipfel sind am Horizont auszumachen. Ein Meer von Segeln, zu weit entfernt um sie zu fotografieren.
Ein Einkaufszentrum in der Nähe der dänischen Grenze
Vor der dänischen Grenze stehen einige Autos, mit dem Kennzeichen des Nachbarlandes, vor einem Supermarkt. Papa reicht palettenweise das Bier an Kinder weiter, die es der Mutter zum Stapeln im Auto übergeben. Alkohol ist teuer in Skandinavien und hier liegt das Paradies so nah. Kaum ist die Grenze überquert, wartet schon das nächste Paradies. Diesmal auf die Fahrzeuge mit deutschen Kennzeichen. Hier muss nicht die ganze Familie mithelfen. Diskretion ist eher gefragt, beim Eintritt in die Häuser des horizontalen Gewerbes. Nachdem ich diese wunderbaren Beispiele europäischer Annäherung, hinter mir gelassen habe, wird es schlagartig ruhiger. Vorbei an kleinen Einfamilienhäusern, wellt sich die Straße vor sich hin.
Die Abkürzung führt mich durch ein neues Gewerbegebiet, das architektonisch so spannend ist, wie das Testbild der ARD. Das wird wohl gleich hinter der Autobahnunterführung aufhören. So sieht es auf jeden Fall auf der Karte aus. Die Autobahn kommt näher, ist direkt vor mir und wo ist die Unterführung? Nicht da! Bitte einmal umschalten auf den – ich mache ein dummes Gesicht – Modus. Der Modus kann gleich wieder abgeschaltet werden, da sich nach links ein Weg eröffnet, der, allem Anschein nach, nach ca. 100 Metern unter der Autobahn verschwindet.
Der mutige wird belohnt. Tatsächlich führt der Weg entlang den Bahngleisen unter der Autobahn durch, und schon 300 Meter weiter kann ich wieder links auf meine geplante Route abbiegen. Doch was ist nach dem Abbiegen? Umschalten auf den Modus – saublödes Gesicht einschalten und noch dümmer aus der Wäsche gucken. Genau die Bahngleise, die dem Weg unter der Autobahn durch Platz geschaffen haben, diese Bahngleise sind nun das endgültige Ende meines Weges. Mit einem hohen Zaun gegen Überläufer gesichert, ist es hier absolut zu Ende. So eine …..!! Wie gut, dass der Rückweg noch nicht versperrt ist.
Deutschland und Dänemark, das war nicht immer friedlich
Vor dem Museumsgelände des ehemaligen Internierungslager Frøslev, treffe ich die ersten und auch die letzten Reiseradler die, außer mir, den Grenzweg fahren. Die Gepäckträger des jungen Pärchens, müssen einiges an Last tragen. Während meine Taschen noch mit zusätzlicher Luft gefühlt werden müssen damit sie in Form sind, sind deren Taschen bis oben ausgebeult und ganz oben drauf, liegt quer eine weitere, voluminöse Tasche.
Das Museum ist ein letzter Teil der kriegerischen deutsch dänischen Geschichte. Hier wurden dänische Kriegsgefangene zu Zeiten der Naziherrschaft untergebracht. Während ich noch am Fotografieren bin, rollen die beiden Reiseradler, mit ihren vollgepackten Rädern aus dem Museum heraus. Wir winken uns noch zu und dann verschwinden sie hinter dem Zaun.
Nach dem letzten Foto, setze auch ich mich aufs Rad und fahre wieder los. Keine hundert Meter hinter dem Museum treffe ich schon wieder auf die beiden Radler. Sie hat ihre Brille verloren und sammelt sie gerade vom Boden auf. Ich überhole sie wieder und von nun an, bin ich fast alleine unterwegs. Die Landschaft wird immer flacher bis es flacher nicht mehr geht. Noch eimal biege ich bei Sofiedal links ab, dann streckt sich das Sträßchen geradeaus in die Ferne.
Der Wind macht die Fahrt durch die Felder nicht aufregender aber beschwerlicher als mir lieb ist. Lieb ist mir auf diesen Strecken besonders mein Rennlenker. Am Unterlenker angefasst, lassen sich die Kilometer unter dem Wind durch abspulen. Wiese, Feld, Feld, Wiese, Hof, Wiese, Feld. Das ist der Rhythmus. Eine alte Radlerweisheit geht mir durch den Kopf: siehst du die Windräder von hinten, musst du gegen den Wind anstinken. Alle Windräder drehen mir den Hintern zu.
Es war eimal mitten im Nichts
Selbst mitten im Nichts, gab es vor noch nicht allzu langer Zeit noch eine richtige Grenze. Ein Schlagbaum und für jede Nation ein Grenzhäuschen stehen hier einsam im Land. Leben ist nur im Laden keine 500 Meter weiter. Der Alkohol und die Preise unserer Nachbarn, kurbeln hier den Umsatz an.
In Ladelund ist es dann endlich geschafft. Die Luft verlässt meinen Hinterreifen, direkt vor Jenni Nissens Pension. Jenni Nissen hat ihr feines Reetdachhaus Bett+Bike zertifizieren lassen und ich bin der Regionalmanger für Schleswig-Holstein und Hamburg. Während ich mich mit dem Hinterrad vergnüge, kommt Frau Nissen heraus und schaut nach dem Rechten. So lernen uns auf diese recht ungewöhnliche Weise kennen.
Auch in Ladelund hat es noch Spuren des dritten Reiches. Gefangene mussten hier einen Graben ausschaufeln um das niedergehende reich vor der Invasion aus dem Norden zu schützen. Die Verzweiflungstat der Nazis, um den schon längst verlorenen Krieg ein paar Tage länger durchzustehen, hat nochmals rund 300 Menschen das Leben gekostet.
Zwischen den Feldern und Knicks des nördlichsten Nordfrieslands, liegen beschauliche Dörfer mit den landestypischen Rettdachhäusern. Außer mir sind nur ein paar alte Menschen auf den Straßen zu sehen. Alles Jüngere, fährt am Wochenende dorthin wo es mehr zu erleben gibt.
In der Jugendherberge in Niebüll bekomme ich ein Zimmer im Haus vier. Der Zugang ist über Haus drei, oder auch Haus fünf. Das verwirrt mich anfangs etwas, doch beim lässt sich erkennen, dass die drei Häuser miteinander verbunden sind, und der Eingang über die beiden außenliegenden Häuser erfolgt. Raffiniert gemacht. Während des Tagebuch Schreibens, höre ich ab und an nach draußen um irgendwann festzustellen, dass ich nichts höre wenn der Wind sich nicht regt. Beste Voraussetzungen, für einen tiefen Schlaf.