Herzogtum Lauenburg und Ostsee – 1. Tag
Von Lübeck nach Fitzen
Die erste Hürde stellt sich uns schon bei der Abfahrt. Von zwei Automaten am Bahnhof ist nur einer in Betrieb. Wohl wissend welche „Gefahren“ das Bahnfahren mit sich bringen kann, sind wir mit einem ordentlichen Zeitpuffer zum Bahnhof gefahren. Klar, dass unser Zug mit Verspätung ankommt und statt gemütlichem Umsteigen in Kiel, jetzt alles gut getimt und geplant werden muss. Ulrike kauft die Zeitschriften ein und ich sorge für den Kaffee und Tee. Rein in den nächsten Zug und schon drei Minuten später rollt er los – unserem Startpunkt Lübeck entgegen.
Der Beginn des Radfernwegs “Alte Salzstraße” ist in Lübeck schnell gefunden. Der Radweg wellt sich über die Baumwurzeln zu einem ständigen Auf und Ab, so sammeln wir die ersten Höhenmeter. Nach zehn Minuten stehen wir am Abzweig, der von der Straße an den Kanal hinunter führen soll und staunen nicht schlecht. Eine Treppe begrüßt den Radfahrer. Der Gnade der Verkehrsplaner haben wir es zu verdanken, dass wir die Räder auf einem schmalen Streifen am Rand der Treppe runterschieben können. Dass es in Richtung aufwärts wesentlich beschwerlicher sein kann, sehen wir an der älteren Frau, die ihr Pedelec nach oben schiebt. Herr lass Hirn wachsen, denke ich mir. So etwas würde ich gerne mal auf einer Bundesstraße sehen.
Das Leben am Kanal verträgt keinen Stress
Von nun an ist der Kanal unser stetiger Begleiter. Das Schilf wiegt sich leicht im Wind und lässt die seltenen Sonnenstrahlen in den Wassertropfen auf den langen Halmen silbern glänzen. Auf dem feinem Schotter rollen die Räder flott dahin. Der ein oder andere Angler sucht bei Petri sein Heil und wartet geduldig auf das Abendessen. An der Schleuse bei Büssau verlässt eine Gruppe Freizeitkapitäne mit Ihren schwimmenden Heimen gerade die Schleuse. Stress scheint hier verpönt sein. So sind wir mit den Fahrrädern schon fast die Raser am Kanal.
Während wir auf einer Bank im Grünen Pause machen, nutzen die Schiffer die Gelegenheit zum Überholen. Zwischen den Schleusenwänden schmettert ein holländischer Kapitän eine Arie in das Land. Nach und nach heben sich die Boote über den Rand der Schleusenmauern. Seines Klangkörpers beraubt, stellt der Holländer seinen Gesang wieder ein. Ein kurzer Gruß im Vorbeifahren und wieder haben wir die Führung übernommen.
In die Eulenspiegelstadt
Wer Mölln besichtigen will, der hat am Abzweig vom Kanal zur Stadt die Wahl. Entweder direkt am Rand einer Brücke steil nach oben oder weiterfahren und später abbiegen. Wir entscheiden uns fürs Weiterfahren und werden mit einer nicht minder steilen Rampe auf den Zufahrtsweg zur Brücke belohnt. Der Umweg hat sich nicht gelohnt. Kopfsteinpflaster und der heftige Verkehr prägen die Einkaufsstraße von Mölln. Richtig gemütlich ist es hier nicht. Daher suchen wir ohne Umweg den bekanntesten Möllner auf. Ob Till Eulenspiegel jemals das Volk an der Nase herumgeführt hat, bleibt sein Geheimnis. Ulrike holt sich auf jeden Fall noch ihre Portion Glück an seinem Denkmal ab. Fußspitze und Daumen der Figur gemeinsam reiben und schon kann nichts mehr schief gehen.
Nach diesem Glückssegen sehnen wir uns nach einem Kaffee und einem Stück Kuchen. Kein Borstentier möchte denn auch bei diesem Wetter draußen sitzen. Vielmehr wünschen wir uns einen Platz an einem kuscheligen Kachelofen. Und Dank Eulenspiegels Glück, ist neben dem Ofen im nahegelegenen Café auch ein Platz für gut gekühlte Reiseradler frei.
Der Ofen im Café hat allerdings schon lange keine Wärme von sich gegeben. Er darf sein Rentnerdasein im ansprechend historischen Ambiente verbringen. Für die Wärme muss nun der Kaffee alleine sorgen. Der Boden des kuschligen Ofenraums ist so schief, dass mein Stuhl fast zum Liegestuhl wird. Durch die kleinen Fenster blicken wir über den Platz. Alles ist grau, auch die Farben der Fachwerkhäuser verlieren sich im feinen Nieselregen.
Vor der Weiterfahrt ziehe ich mir doch die Überschuhe und Regenjacke an. Dann hört der Regen auf .Wir verlassen Mölln auf einer kleinen Landstraße, die etwas entfernt zum Radfernweg Alte Salzstraße Richtung Büchen führt. Auf die Dauer war der alte Handelsweg am Kanal für uns etwas zu eintönig und wir wollten wieder ohne das Dauerruckeln auf dem Schotter auf Asphalt dahin gleiten.
Kaum ist man drin schon ist man wieder draußen
Vom kleinen Ort Göttin erzähle ich immer bei meinem Radreisevortrag über meine Deutschland Tour. Natürlich möchte ich Ulrike Göttin auch mal zeigen. Nach den wichtigen Fotos am Ortsschild, fahren wir direkt in den Ort hinein und auch gleich wieder hinten hinaus. Hier hört denn auch der Asphalt auf und keine 300 Meter später schluckt der lose Sand die Reifen und vereitelt jeden Versuch, das Rad mit den Pedalen weiter zu bewegen. Jetzt weiß ich auch wieder, warum die Radroute über die Landstraße ausgeschildert ist.
Schönes vom Dorf im schönen Fitzen
Auf besten Asphalt geht’s es nun weiter dem Tagesziel in Fitzen entgegen. Ein Ort so groß, dass es noch nicht mal einen Wegweiser am Abzweig gibt. So rauschen wir erst einmal vorbei, bis es mich vom Lenker aus anpfeift. Klasse es funktioniert, stelle ich erfreut fest. Mein Navi im Smartphone pfeift mir einen wenn ich über das Ziel hinausschieße.
Der Empfang in der Pension in Fitzen ist herzlich und die Zimmer und es noch viel mehr. Liebevoll ist das alte Bauernhaus samt Garten in ein neues Leben als Heim für zwei Ex Hamburger und deren Feriengäste überführt worden. Ein Bärchen auf dem Kopfkissen, neue Möbel mit Geschmack zu ihren betagten Urahnen ausgesucht und viele andere Details begrüßen uns im Zimmer und Bad. Der Hausherr erzählt später noch ein wenig von der Tiefseeforschung und Tauchern, die bis in 600 Metern Tiefe in die Unterwelt hinabsteigen und anschließend gut vier Wochen in einer Spezialkammer zum Akklimatisieren benötigen. Was für ein spannender Beruf.
Gastronomische Highlights in Büchen gesucht
Direkt neben der Pension gäbe es zwar einen Gasthof, dort soll man auch gut essen können, wenn er denn geöffnet hätte. Hat er aber gerade heute nicht. Daher müssen wir zum Abendessen nach Büchen fahren. Einzig der Grieche konnten uns unsere Gastwirte ohne Gewissensbisse empfehlen.
Wir sind gerade mit dem Essen beschäftigt, als ein weiteres Pärchen sich an den Nachbartisch setzen will. Ulrikes Augen bemerken sofort den Stapel Fahrradkarten, den sie auf den Esstisch legen.
„Sind sie auch mit dem Fahrrad unterwegs“? sprudelt es aus ihr heraus.
Es ist ein Paar aus der Schweiz. Rentner und Radtouren erfahren. Sie sind von Dresden entlang der Elbe bis Lauenburg gefahren, jetzt soll es noch über Schlagsdorf, Schwerin nach Berlin weitergehen. Wir üben uns noch eine Weile in des Radfahrers Latein, bevor sich unserer Wege wieder trennen.