Herzogtum Lauenburg und Ostsee – 2. Tag
Von Fitzen nach Mustin
Das Frühstück bei Frau Rinck ist außerordentlich. Schon am Vorabend wurden wir nach unseren Wünschen befragt und finden morgens einen liebevoll gedeckten Tisch vor mit allem, was unseren Frühstücksgaumen zum Strahlen bringt. Frau Rinck erkundigt sich nochmals, ob denn auch wirklich alles zu unserer Zufriedenheit ist. Sie ist ein wenig beunruhigt darüber, dass wir nur Brötchen, Müsli, Marmelade ein Ei und ein bisschen Obst zur Befriedigung unserer morgendlichen Grundbedürfnisse brauchen.
Nachdem wir sie von unserer Anspruchslosigkeit überzeugt haben, widmen wir uns den Leckereien. Der selbstgemachte Heidelbeerquark – mit Sahne für den Radfahrersportler – eröffnet den Gaumenschmaus. Zwischen Bananen, Trauben und Äpfeln stecken frisches Grün und Blüten aus dem eigenen Garten. Nach der Frühstücksvöllerei packen wir die Taschen und bezahlen. Mit allen Guten Wünschen versehen, verlassen wir den gastlichen Ort und sind gespannt auf den neuen Tag.
Unterwegs zwischen West und Ost
Über besten Asphalt geht es wieder gen Norden. Göttin lassen wir diesmal links liegen und erreichen um die Mittagszeit Zarrentin am Schaalsee. In den letzten drei verbliebenen Markständen ist man damit beschäftig die Leckereien aus dem Umland für die Abreise zu verpacken. Am Fleischereistand sorgen wir für zusätzlichen Umsatz und suchen uns direkt unterhalb des Klosters, am See ein Bank, um dort die Leckereien gebührend zu begutachten. Nachdem nichts mehr zur weiteren Begutachtung übrig ist, lassen wir das See Idyll noch etwas wirken, bevor es uns auf dem Uferweg entlang, auf die östliche Seite des Sees zieht. Der See entzieht sich unseren Blicken und bis Schlagsdorf soll uns von nun an ausschließlich Landschaft, mit wenigen kleinen Dörfern, begleiten.
Die typische Silhouette zweier Reiserradler kommt uns auf der anderen Straßenseite entgegen. Während ich feststelle, dass sie ebenso mit Cannondale Rädern fahren wie Ulrike, vernehmen mein Ohren ganz beiläufig ein erfreutes Hallo über die Straße rufen und alle halten, nur ich weiß noch nicht was los ist. Ulrike hat es zuerst bemerkt, dass es das Radlerpärchen aus der Schweiz ist, welches uns da entgegenkommt. Am Straßenrad plaudern wir nochmals über unsere Routen und dann macht sich jeder wieder auf seinen Weg. Wir werden mit Sicherheit noch lange und gerne an diese Begegnungen denken.
Besuche nur nach Gesinnungsprüfung
Zur Zeit der sowjetischen Besatzung und des diktatorischen Regimes Erich Honeckers, lag Schlagsdorf direkt im Grenzgebiet der DDR. Der Wahn, der die Machthaber Ostdeutschlands zum Bau der Mauer trieb, zeigte hier besonders abartige Auswüchse. Angeblich sollte die Grenze das eigene Volk doch vor dem Klassenfeind schützen. Die Angst, dass das eigene Volk vor der eigenen Regierung floh, war jedoch so groß, dass selbst Verwandte der hier Wohnenden eine besondere Erlaubnis brauchten, um in diesen Streifen Land nahe der Grenze Angehörige zu besuchen. Auf eine Tasse Kaffee zu Oma: nur nach erfolgreicher Gesinnungsprüfung.
Heute können wir zu Glück von beiden Seiten einfach mal so ins Museum Grenzhus fahren. Sei es sich die Ausstellung über die Grenze anzuschauen oder nur auf ein Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee. Dachten wir. Es ist nicht die Grenze die uns den Zugang zu Kaffee und Kuchen verwehrt. Wegen eines Trauerfalls, bleibt das Café heute geschlossen.
Als Alternative wird uns an der Museumskasse der Bäcker auf dem Dorfplatz genannt. Zu diesem Bäcker zieht es im Allgemeinen nur Einheimische. Fremde und dazu noch so sonderbar in Radklamotten eigetütet, sind hier scheinbar selten zu Gast. Die Unterhaltungen verstummen und bleiben auch sehr einsilbig während unseres Aufenthalts. Jeder der reinkommt wird mit Du angesprochen und oft wechseln nur kurze Stichworte über den Tresen, um die Bestellung abzugeben. „Einen“ ist die Bestellung „mit Milch“ ist die Antwort.
Was versprochen wird, wird auch gehalten
Kurz vor Mustin kommt auch der versprochene Regen des Wetterberichtes zu uns. Tiefhängende schwarze Wolken treiben mit hohem Tempo auf uns zu. Schon aus der Ferne können wir erkennen, wie die kalte und ungemütliche Fracht auf das Land hernieder stürmt. Kein Versteck ist weit und breit in Sicht, so bleiben uns nur Weiterfahren und das Erdulden dieses ungestümen Ausbruchs. Hauchfeine Tropfen peitschen über die abgeernteten Felder. Nebel mit Hochgeschwindigkeit, vermischt mit kleinsten Hagelkörnern, die unsere Haut mit feinsten Nadelstichen Oberflächenakupunktieren. Keine zehn Minuten dauert der Wetterwutausbruch. Dann legt sich der Wind, Regen und Hagel werden auch eingestellt und das Einheitsgrau findet wieder seinen angestammten Platz im heutigen Tag.
Bis 1990 ragte eine kleine Bucht westdeutschen Festlands, in die Deutsche Demokratische Republik hinein. Nach Osten fast umschlossen von verträumten Seen und der gar nicht traumhaften Grenze zu unseren eingeschlossenen Nachbarn, liegt das Dorf Mustin. Am kleinen Bruder des Großen Sees im Ort, wollen wir heute übernachten. Noch etwas von der letzten Unterkunft verwöhnt, wirkt unser Zimmer erstmal recht schlicht. Ja es ist etwas schlichter und auch etwas kleiner, aber auch ansprechend gestaltet und mit einem bequemen Bett ausgestattet. Dafür können wir hier auch direkt essen und wenn wir wollten noch eine Runde im See schwimmen. Aber wer will das schon bei 12 Grad plus?
Nach dem leckeren Abendessen, lernen wir noch die Pächterin des Gasthofs kennen. Als fahrradfreundlich darf sich der Gasthof bezeichnen. Als fahrradverständig wäre hier noch treffender. Frau Petzold ist selbst begeisterte Radfahrerin und so erfahren wir im Gespräch von den Familientandems, einem Tridem, damit der kleinste von Vieren auch noch mithalten kann, von der Vätternrunden und dem Unfall mit einem anderen Radfahrer ohne Licht. Wir reden über Rohloff, Fahrradurlaub und so einiges mehr an Themen, die nur Radfahrer verstehen. Dann geht es in das kuschelige Bett.