Deutschland der Länge nach / Creglingen – Dinkelsbühl
Nach mir müssen gestern Abend noch einige Radler in der Jugendherberge eingecheckt haben. Heute Morgen stehen auf jeden Fall noch ein paar weitere Räder im Schuppen. Ein Fahrrad davon, fällt mir besonders ins Auge. An einem schwarzen Rennrad ist, mit recht groben Alublechen und einigen Schellen, ein Gepäckträger befestigt. Nicht sehr elegant aber allem Anschein nach zweckmäßig. Wie sich die Konstruktion in der Praxis bewährt, kann ich leider nicht in Erfahrung bringen, ich bin wieder mal vor allen anderen auf den Beinen.
Da gestern Abend die Faulheit gesiegt hat, steht noch vor der Weiterfahrt der Besuch der Altstadt von Creglingen an. Der Stadtkern macht eine Besichtigung mit Fahrrad nicht gerade einfach. Immer wieder führen die Wege zwischen den alten Mauern über Treppen hinauf oder hinunter.
Die kleinen Schaufenster von H. J. Krank präsentieren ein Sammelsurium aus Plastikblumengestecken, Schlafanzügen und Werbung, während der Gasthof „Zum Lamm“ schon lange seinen Fensterläden geschlossen und nicht wieder geöffnet hat. Auch wenn die Straße noch so romantisch und das Taubertal noch so lieblich ist, gehen die Veränderungen durch Einkaufszentren auf der grünen Wiese, mit kostenlosen Parkplätzen, auch hier nicht spurlos vorüber.
Lieblich wie am Vortag, nimmt mich dann alsbald das Taubertal wieder auf, bis sich dann für einige Zeit der Fernradweg von seiner Namensgeberin verabschiedet und von Wiesen und Wäldern gesäumt, in sanften Wellen über dem Tal verläuft. Die warme Sommerluft duftet schwer nach den Gräsern am Wegesrand. Das tausendfache Zirpen der Grillen, ist für mich das Geräusch des Sommers.
Ob und nicht an der Tauber, ein großer Unterschied!
Unbemerkt, hat sich im Laufe des gestrigen Tages, noch die Romantische Straße als weiterer Fernradweg dazu gesellt. Rothenburg ob der Tauber liegt nun vor mir und ich weiß jetzt warum es ob und nicht an der Tauber heißt. Außerdem bekomme ich eine alte Radler-Weisheit zu spüren. In bergigen Regionen sind die Straßen mit den großen Bogen, die Straßen mit den weiten Wegen und der einfachen Steigung. Die kurzen geraden Straßen, führen steil den Berg hinauf.
Ich bin faul und wähle den kurzen Weg. Die Steigung und das Gepäck am Rad fordern ihren Tribut, ziemlich abgekämpft und durchgeschwitzt erreiche ich die mächtige Stadtmauer. Nach einer kurzen Pause im Klostergarten, beruhigt sich langsam der Puls und der Schweiß verdunstet in der Sommerhitze. Jetzt kann es losgehen zur Stadtbesichtigung.
Entlang der Stadtmauer ist es noch recht ruhig. Vor einer mit Efeu bewachsenen Wand, warten die Tische des Gasthauses auf die Gäste. Gegenüber gibt ein mächtiger Torbogen aus Sandstein, dem alten Holztor, wie in längst vergangener Zeit, immer noch seinen Halt.
Von erfüllten Klischees
Auf dem Marktplatz wird es langsam trubelig. Neben Käthe Wohlfahrts – Weihnachtsdorf, versucht ein Geiger mit seiner Kunst die Menschen einen Moment zum Stehen und natürlich auch zum Geldbeutel öffnen zu überzeugen. Bunte Marktschirme stellen Verkäufer in den Schatten. Zwischen Obst, Gemüse, Kunst und Kitsch finden Einheimische und Besucher das was sie begehren. So ähnlich muss es wohl schon in grauer Vorzeit hier ausgesehen haben. Vermutlich waren aber damals die einheimischen Kunden deutlich in der Überzahl.
Ganz wie wir uns klischeehaft vorstellen, spurtet eine Gruppe Asiaten durch die engen Gassen. Eine junge Frau schreitet im Stechschritt vorne raus und wedelt mit ihrem Fähnchen in der Luft, damit der Rest der Reisegruppe sie auch im dichten Gedränge immer wieder finden kann. Aus einem roten Beutel, der um ihren Hals hängt, führt ein Kabel zu einem Mikrofon am Ausschnitt des schwarz weiß gesteiften T-Shirts.
Voll mit neuen Eindrücken, verlasse ich diese hübsche Stadt, vorbei am mit Blumen geschmückten Brunnen, durch eines der Stadttore. Unten an der Tauber, gibt die Romantische Straße wieder meinen Weg vor. Einige Zeit noch gibt die immer kleiner werdende Tauber die Richtung vor, dann trennt sich der Radfernweg unbemerkt vom Fluss. Immer häufiger sind nun auch Streckenabschnitte auf der Straße ohne eigenen Radweg zurückzulegen. Bis auf ein paar wenige Autos, ist dies aber nicht weiter störend. Im Gegenteil, der Asphalt ist gut und so rollt es leicht vor sich hin.
Ich weiß nicht was mich erwartet und das ist schön
Mir gefällt es, nicht zu wissen was ich sehen werde. Es hält die Neugier am Leben und überrascht mich immer wieder aufs Neue. So laufe ich ohne Plan durch die Gassen und bin denn auch sehr positiv überrascht, von dem was es in den schmalen Kopfsteinpflastergassen zu sehen gibt.
Es sind nicht nur die historisch wichtigen Gebäude die solche Städte erlebenswert machen. Es sind die liebevoll hergerichteten Ecken, die Blumen im Fenster, die Handgemalte Einladung hier auf ein Gläsle Wein Platz zu nehmen. Auf jeden Fall verwerfe ich meine Jugenderinnerungen von Kaffee Hag und staubtrocknen Blechkuchen.
Von Brüsten und Brunnen
Auch Feuchtwangen hat, wie die meisten Orte in dieser Region, seinen Brunnen. Während man an neueren Brunnen eher Alltagsszenen, wie ein Mann mit seinem Glas Wein, zu sehen bekommt, sind ganz moderne Brunnen meist sehr verspielt. Dieser Brunnen hier stammt noch aus recht frühen Zeiten und zeigt mit dem Wappen wer ihn hat bauen lassen, auf einem anderen Brunnen zeigt die Frau mit den üppigen Brüsten, wohl eher das, an was der Erbauer dabei gedacht hat.
Und welcher ist nun mein Weg?
Von Feuchtwangen nach Dinkelsbühl macht der Fernradweg Romantische Straße einige große Schleifen. Da ich keine Lust auf Umwege habe und das Wetter eher zu einem Schattenplatz in einem Biergarten einlädt, bevorzuge ich den direkten Weg.
Anfangs folge ich einfach noch der Straße nach Dinkelsbühl, dann biege ich auf einen Waldweg ein. Im kühlen Schatten der Bäume lässt es sich schon deutlich angenehmer Radfahrern. Auch die Oberfläche des Wegs ist für Waldverhältnisse richtig gut und so rauschen die feinen Kieselsteinchen Kilometer um Kilometer unter den Rädern durch, bis… Bis eine Kreuzung mit vier Abzweigen die schnelle Fahrt abrupt stoppt. Wohin geht´s nun nach Dinkelsbühl?
Ein Fisch weißt in die eine Richtung, ein roter Punkt in eine andere, die orangen Pfeile der Gesundheitskasse wollen mich wiederum woanders hinlocken. Nur ein Schild nach Dinkelsbühl fehlt mir an dieser Kreuzung.
Für solche abgelegenen Wege ist der Maßstab von 150.000, der Karte auf meiner Lenkertasche, dann doch ein wenig zu groß. So bedarf es ein wenig pfadfinderischem Geschicks und dem richtigen Bauchgefühl, für die Wahl des richtigen Wegs. Mit der richtigen Kombination aus beidem, erreiche ich dann auch mein nächstes Etappenziel.
Weißbier die neue Lust
In Dinkelsbühl ist echt was los. Überall laufen junge Menschen durch die Straßen. Oft eindeutig an der Kleidung als Metal- oder Gothic-Fans zu erkennen. Entweder hat die Stadt überdurchschnittlich viele Einwohner mit diesem Musikgeschmack oder, und das ist wesentlich wahrscheinlicher, hier findet gerade das Summer Breeze Festival satt. Auf vier Bühnen, lassen es über hundert Bands, ein langes Wochenende lang so richtig krachen.
Mein Campingplatz liegt etwas oberhalb der Stadt. Nach dem Zeltaufbau und einer erfrischenden Dusche, zieht es mich hinunter in die Altstadt. Bei diesen Temperaturen spielt sich hier auch noch abends das Leben im Freien ab. So wird die Suche nach einem Sitzplatz vor dem Gasthaus zum leichten Geduldsspiel.
Nach einiger Zeit findet sich dann doch einen freier Platz und ich werde für meine Geduld reichlich belohnt. Die Semmelknödel mit der Schwammerlsoße sind einfach lecker. Hier entdecke ich auch meine Lust auf Weißbier. Abends nach einem langen Tag auf dem Fahrrad noch zwei alkoholfreie Weißbiere, das ist so erfrischend, dass dies zum festen Ritual auf dem bayrischen Teil meiner Radreise wird. Nach dem Essen beziehe ich mein tausend Sterne Hotel und schlafe satt und zufrieden ein.