Via del Lupo
Mehrtagestouren,  Radreise,  Thüringen

Sommerradreise von Lüneburg nach Lohr am Main – Tag 5

Von Erfurt nach Meiningen

Der Aufenthalt in Erfurt hat mir gutgetan. Die langen Spaziergänge durch die Altstadt, mit ihren charmante Gassen und belebten Plätzen, die gemütliche Cafés – und natürlich der Kühlschrank meiner Tochter, der danach dringend Nachschub brauchte. Als Ausgleich durfte sie dafür auf dem Weinfest meinen Geldbeutel etwas erleichtern. Man will ja schließlich nicht zu viel Ballast mit in den Thüringer Wald nehmen. Die Lebensgeister sind nach ein paar Tagen Pause wieder zurück und die Beine wieder arbeitswillig.

Hohe Domkirche St. Marien zu Erfurt

Am Morgen stand dann erst einmal Tragen auf dem Programm. Da meine Ferienwohnung mitten in der Stadt lag, aber keinen Platz für Fahrräder bot, musste das Rad samt Gepäck durch lange Flure und über mehrere Treppen geschleppt werden. Ein kleiner Kraftakt vor dem eigentlichen Start. So, als wollte die Stadt mich noch ein letztes Mal festhalten.

Nach einem guten Frühstück rollen endlich wieder die Räder. Durch eine weite Parkanlage und stille Seitenstraßen geht es angenehm und überraschend mühelos, hinaus aus der Stadt – ein sanfter Übergang von urbanem Leben raus in das Thüringische Land.

Die Gera begeleitet mich

Ohne es bewusst geplant zu haben, wird die Gera zu meiner Begleiterin. Mal dicht neben mir, mal nur als Ahnung hinter den Bäumen. Die Räder laufen fast wie von selbst. Nach dem vorzeitigen Abbruch im Harz, spüre ich wie gut es tut wieder unterwegs zu sein, mit mir im Gleichgewicht, und bereit für das, was hinter der nächsten Kurve wartet.

Liebe Grüße aus der Gera

In Molsdorf erwartet mich gleich eine kleine Überraschung: der Radweg ist gesperrt. Immerhin gibt es hier eine ausgeschilderte Umleitung. Sie führt mich über den Berg, rund um das Schloss und dem Schlosspark. Schade, dass der Schlosspark geschlossen ist. Wäre er zur Durchfahrt geöffnet, wäre die Umleitung, nicht nur wegen der fehlenden Steigung, ein Gewinn für Radfahrer.

Arnstadt – schöne Altstadt, verschlossene Menschen

Ich verlasse die Gera und fahre durch die Altstadt von Arnstadt. Der Schlossgarten, die schmalen Gassen und die alten Häuser machen einen sehr schönen Eindruck. Nur die Menschen auf der Straße wirken seltsam abwesend. Nach dem lebhaften Erfurt scheinen die Gesichter hier verschlossener, fast misstrauisch. Da ich auch kein gemütliches Café finde, folge ich wieder dem Gera-Radweg.

Rathaus in Arnstadt

Auf den überwiegend asphaltierten Wegen lässt es sich wunderbar Rad fahren. Dabei fällt mir auf, wie entspannt das Rad fahren bisher war und wie wenig der Autoverkehr bisher gestört hat. Der Gera-Radweg führt über weite Strecke weit genug von den Straßen entfernt. Wenn etwas unangenehm auffällt, dann ist es der langsam immer stärker werdende Gegenwind. Irgendwann, hinter Plaue, auf einer langen Geraden, zeigt der Tacho nur noch 11 km/h an und ich pfeife aus dem letzten Loch.

Vom kleinen Glück über dem Regenbogen

Kurz vor Angelroda ziehen dann dunkle Wolken auf.  Mit den ersten Regetropfen erreiche ich eine Bushaltestelle. Es reicht, um trocken zu bleiben. Für eine Pause ist es hier aber zu ungemütlich. Gute 500 Meter raus aus dem Dorf, steht eine schöne große Schutzhütte. Der Regen lässt mir eine kleine Chance die Hütte trocken zu erreichen, die ich auch gerne nutze. Oben am Rastplatz Philippsruh angekommen, schüttet es gleich wieder wie aus Eimern.

Mein Regenbogen über Angelroda

Im Trockenen sitzend und mein Brötchen in der Hand, fällt mir wieder mal auf, wie wenig ich für mein Glück brauche und wie es sich immer dann meldet, wenn ich nicht damit rechne. Etwas zu Essen, eine Tafel Schokolade und ein trockner Platz um die Zeit vergehen zu lassen, das wars auch schon. Und als wollte das Wetter mein Glücksgefühl noch besonders unterstreichen, kommt die Sonne ein bisschen hervor und zaubert einen wunderbaren Regenbogen über Angelroda.

Das Biosphärenreservat Naturpark Thüringer Wald

In Geraberg teilt sich der Gera-Radweg. Ich bleibe dem Flüsschen treu und fahre entlang der Zahmen Gera in das immer schmäler werdende Tal hinein. Irgendwann ist dann auch der Asphalt zu Ende und die Steigungsprozente nehmen zu. Wie gut, dass der Wind nicht bis hierherkommt. Der grobe Schotter und die Steigung sind schon Herausforderung genug.

Am Mönchhof angekommen, freue ich mich darüber, dass der Weg wieder flacher wird und sogar ein bisschen Abschüssig ist. Bis mir auffällt, dass ich die Schmücke, den höchsten Punkt für heute, noch gar nicht erreicht habe. „Ei verbibbschd“, alles was ich jetzt runterfahre, muss ich zusätzlich wieder hochfahren.

Schutzhütte am Rennsteig

Pünktlich mit den ersten Regentropfen erreiche ich eine der vielen Schutzhütten auf dem Rennsteig. Aus dem Schauer wieder ein fetter Regenguss mit heftigen Böen. Wie schön das alles aus der trockenen Hütte zu beobachten. Kaum stellt das Wetter den Regen ein, kommen zwei triefende Wanderinnen um die Ecke. Der Regen hat ihre gute Laune nicht getrübt. Sie erzählen mir freudig von ihrem wunderbaren Wandertag auf dem Rennsteig.

Der höchste Punkt ist erreicht

Oben auf der Schmücke angelangt, bekomm ich mich vor Freude fast nicht ein. Endlich wieder mit dem Fahrrad auf einem richtigen Berg angekommen. Endlich wieder auf zwei Rädern unterwegs um neue Regionen kennenzulernen. Die letzten drei Jahre, die ich gesundheitlich nicht Rad fahren konnte, fallen von mir ab. Ich denke an meinen Doc der mich zwei Mal operiert hat: „es geht wieder. Dankeschön.“

Blick von der Schmücke

Gerne würde ich hier oben eine längere Pause machen. Der borstige Wind kriecht mir aber unter die Klamotten und bevor ich hier einfriere, geht es weiter. Die Freude über den Asphalt auf der Abfahrt hält nur kurz. Das Navi quakt mich an, ich solle umdrehen. Na gut, wenn Du darauf bestehst. Der Asphalt wechselt wieder zu Schotter und mit jedem Höhenmeter abwärts mischen sich immer dickere Steine in den Weg. Mit unter 10 km/h, den Lenker fest im Griff, bändige ich das Rad über den Waldweg. Die schöne Aussicht kommt dabei leider zu kurz. In Goldlauter ist der Spuk dann auch schon wieder vorbei. Die Räder rollen wieder auf Asphalt, garniert mit einer guten Portion Gegenwind.

Das Simson Werk – eine bewegte Geschichte

Ein kleiner roter Pavillon in Suhl, weckt meine Interesse. Er steht am Eingang des ehemaligen Simsons Werks. Aha, hier kommen also die berühmten Mopeds der DDR her. 1856 legten die jüdischen Brüder Löb und Moses Simson den Grundstein für das Unternehmen. Obwohl sie im ersten Weltkrieg einen Monopolvertrag zur Produktion von bestimmten Waffengattungen hatten, mussten sie unter den Nazis das Werk aufgeben und sind in die USA ausgewandert. Aus dem, was von den Reparationsleistungen an die Sowjets übriggeblieben ist, hat man nach dem zweiten Weltkrieg das Werk als staatlichen Betrieb wieder aufgebaut.

Von Suhl aus fahre ich nun entlang der Lauter, wieder auf meist gut ausgebauten Wegen, ganz ohne oder mit wenig Verkehr. Irgendwann mündet die Lauter in die Hasel, ohne dass sich etwas verändert. Oder doch? Ja, der Wind ist schwächer geworden. Das ist auch gut so. Die lange Strecke und besonders die Höhenmeter, haben ihren Spuren hinterlassen. Auch mein Hintern sagt, es reicht langsam. So bin ich froh, Meinigen zu erreichen.

Altstadt von Meinigen

Bevor es auf den Campingplatz geht, muss ich noch etwas zum Abendessen einkaufen. Die beiden Polizisten, die ich frage, schicken mich zu einem Biomarkt in er Nähe zum Marktplatz. Mit ein paar Brötchen, etwas Käse, einem Radler und dringend erforderlicher Schokolade, nehme ich die letzten beiden Kilometer zum Campingplatz in Angriff.

Die Steigung, raus aus Meiningen, wird nochmal zu einer richtigen Herausforderung. Am Ende des Tages sind es dann genau 1000 Höhenmeter und 101 Kilometer. Wow, was für eine Leistung, geht es mir durch den Kopf. Die letzte Radtour mit über 100 Kilometern ist nun schon über vier Jahre her. Ich bin einfach nur glücklich, dass ich wieder den ganzen Tag auf dem Rad sitzen kann.

  • Schlosskirche St. Trinitatis in Molsdorf



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