
Zu Fuß auf dem E1 / von Ratzeburg nach Mölln
Unterwegs auf dem Europawanderweg Nummer 1
Einige Wege haben eine magische Anziehungskraft auf mich. So auch der europäische Fernwanderweg E1. Nur auf Deutschland beschränkt, führt er einmal von Nord nach Süd mitten durch. Und irgendwie scheint der E1 mir immer zuzurufen wandere mich. Wie sonst ist es zu erklären, dass ich im Odenwald in der Nähe, in Eckernförde in der Nähe und jetzt in Malente direkt an diesem Fernwanderweg wohne. Ein halber freier Tag liegt vor mir. Was liegt da näher, als dem Ruf des Weges nachzugeben und eine Etappe zu Wandern. Ratzeburg liegt an einem Bahnhof und Mölln auch. Das macht die Logistik der An- und Abreise einfach und schnell ist daher der Rucksack gepackt und es geht los.
Vom Bahnhof in Ratzeburg, laufe ich zuerst an einer vielbefahrenen Straße in Richtung der Seen und der Promenade der Stadt. Man könnte auch den Bus nehmen aber das Wetter schmeichelt mit Sonnenstrahlen und die haben sich in der letzten Zeit viel zu selten sehen lassen. Und die Ziele der Buslinien hören sich auch nicht sonderlich vertrauenerweckend an. Wer will denn schon nach Demolierung-Vorstadtschule fahren?

Ratzeburger- Dom- und Küchensee leuchten im Sonnenschein und es sehen wärmer aus, als sie es in Wirklichkeit sind. Aus Ratzeburg raus, laufe ich nun im Schatten der alten Bäume am Seeufer des Küchensees entlang. Ein freundlicher Hinweis auf eine Wegsperrung macht mich etwas unsicher, ob und wenn ja, wie weit ich einen Umweg laufen muss. So richtig schlau werde ich aus der Karte nicht. Getreu dem Motto wer nicht wagt, wage ich und laufe einfach weiter. Es wird schon einen Weg geben. Schritt für Schritt werden die geschäftigen Geräusche leiser. Die Kettensägen- und Baumaschinengeräusche machen nach und nach der Ruhe Platz.
Kein Weg nach rechts oder links
Dort wo die Sonne nur kurz mit ihren Strahlen das Wasser streift, liegt noch eine Schicht Eis auf dem Nass. Es trägt noch Enten und auch mal einen Schwan. Ob es auch mich trägt, möchte ich erste gar nicht ausprobieren. Der Länge Weg vom Bahnhof bis ans andere Seeufer, fordert so langsam seinen Tribut. Die Blase meldet sich immer vehementer und verlangt nach Auslauf. Es gibt aber keinen Weg nach rechts oder links und vor und hinter mir sind noch andere Spaziergänger im gleichen Tempo unterwegs. Nach gefühlt zwei Ewigkeiten, dann endlich ein Stichweg zum Seeufer herunter. Hoffentlich will sie hinter mir nicht auch dorthin. Nein, will sie nicht, ich bin gerettet. Wie viel entspannter lässt sich doch die Ruhe und Natur genießen, wenn die Blase nicht mehr zwickt.
Noch einmal entdecke ich den Hinweis auf die Wegsperrung. Schlauer werde ich auch diesmal nicht daraus und folge einfach den beiden Damen mit Hund. Wenn sie dort weiterlaufen, wird es schon irgendwie gehen. Und siehe da, der Weg ist gar nicht gesperrt. Ein schmaler Pfad führt entlang der Baustelle und an der Farchauer Mühle ist ein Durchgang trotz Sanierungsarbeiten offen.
Weiter geht’s ohne Wasser
Von hier ab verlasse ich dann auch das Wasser. Nicht ganz landestypisch macht ein großes gelbes Schild an einer Scheune, Werbung für Prinz Luitpold Weißbier. Wäre jetzt Sommer könnte ich da schon Lust drauf bekommen. Jetzt wäre mir aber eine Tasse heißer Tee lieber. Zeit für eine Pause wäre es schon. Zumindest ist mein Magen dieser Ansicht. Ich schließe mich seiner Meinung an und suche mir einen schönen Baumstamm und hole Brot und Saft aus dem Rucksack. Mit jedem Happen schleicht ein bisschen mehr die Kälte durch meine Jacke. Also sehe ich zu, dass ich fertig werde und mich möglichst schnell wieder bewege. Die Kraft der Sonne habe ich doch deutlich überschätzt.
Die letzten Kilometer vor Mölln verlangen meine volle Aufmerksamkeit. Bei jeder Möglichkeit zweigt der Weg ab und ich laufe, wie ein Kaninchen, Haken schlagend durch den Wald. Dann auf einmal, streckt ein Fabelwesen seinen Pferdefuß und seine lange Nase aus einem Baum. Eine kleine Tür, kaum groß genug für Wichtel, führt in einen Baumstumpf und Feen hängen ihre Weihnachtswünsche an eine Holztafel. Weihnachten ist zwar schon eine Weile her, aber meine Aufmerksamkeit hat der Künstler oder die Künstlerin auf sich gezogen. Wie schön, dass ich zu Fuß unterwegs bin, sonst würde die Zeit für die kleinen Dinge am Wegesrand fehlen.
Nach den vielen Ablenkungen muss ich mich jetzt aber sputen um den nächsten Zug zu erreichen. Gefühlt wird der Weg durch Mölln immer länger und die Zeit läuft immer schneller. Eigentlich ist es schon zu spät, aber die geschlossenen Schränke verraten mir, dass der Zug noch nicht weg ist. Also noch einen Zahn zulegen und dann … Und dann komme ich am Bahnhof an und die Türen am Zug schließen sich vor meiner Nase. Also doch noch Zeit für einen Kaffee in Mölln.

