
Auf dem Burgensteig – Von Eberstadt nach Zwingenberg
Was für ein Morgen. Gestern bin ich im kalten Norden gestartet und heute Morgen kann ich schon nach den ersten hundert Metern meiner Wanderung die erste Jacke ausziehen. An den letzten Häusern von Eberstadt vorbei, steigt der Burgensteig langsam an und verschwindet in den Wald hinein. Das frische Grün des Frühlingsbuchenwalds wird mich jetzt die nächsten beiden Tage begleiten.
Nachdem die B 426 überquert ist, nehmen dann auch die Geräusche der Zivilisation langsam ab. Jetzt sind nur noch die Vögel und das Schnaufen der Läufer zu hören. Letztere beginnen den Sonntag anscheinend mit der sportlichen Herausforderung, zur Burg Frankenstein im Eiltempo hinaufzulaufen. Schon beim Zusehen wird mir warm und die zweite Jacke verschwindet im Rucksack.

Zuerst auf Forstwegen, dann auf einem schmalen Pfad, erreiche ich die erste Burg des Burgensteigs, die Frankenstein. Mir fällt auf, dass ich noch nie zu Fuß hier hochgelaufen bin, obwohl ich über 40 Jahre in dieser Region gelebt habe. Jetzt, mit 61, ist das eine Premiere für mich. Klar müssen jetzt noch ein paar zusätzliche Höhenmeter zum Burgturm hinauf gesammelt werden. Oben angekommen, zeigt sich, so früh am Morgen, eine fantastische Aussicht über den Rheingraben bis hin zur Frankfurter Skyline.
Des Odenwalds vulkanische Vergangenheit
Nach der Burg Frankenstein geht es dann weiter in Richtung Süden. Auf schmalen Pfaden schlängelt sich der Burgensteig durch den Wald. Die großen Basaltbrocken am Wegesrand sind Zeugen einer Zeit, als der Rheingraben noch vulkanisch aktiv war. Heute lässt sich an den dicksten Brocken bestens bouldern oder mit dem Mountainbike herum Surfen. Da es Sonntag ist, macht gefühlt das halbe Rhein-Main-Gebiet davon Gebrauch. Und das verträgt sich mit dem Wandern deutlich besser als es oft kommuniziert wird.

Wenn sich der Wanderweg wieder zum Tal hinneigt, dann sind auch weitere Höhenmeter zur nächsten Burg sicher. So geht es von Seeheim aus wieder Schritt für Schritt zur Burgruine Tannenberg nach oben. Irgendwann, im Aufstieg, zeigt sich ein kleines Fenster in den dichten Blättern und ich kann hinunter ins Tal schauen. Wiedermal erstaunt es mich, wie viele Höhenmeter schon wieder hinter mir liegen.
Alt wie ein Baum möchte ich werden …
Hinter der Burg Tannenberg führt der Burgensteig wieder nach unten um, kaum unten angekommen, gleich wieder nach oben zur Klosterruine Schloss Heiligenberg anzusteigen. Willkommen ihr neuen Höhenmeter. Die Zeit hat von dem, Mitte des 13. Jahrhunderts erbauten, Klosters, nur noch die Außenmauern stehen lassen. Etwa zur selben Zeit ist in der Nähe des Klosters aus einem kleinen Samen eine Linde gewachsen. Heute wartet die, mit Eisenbändern zusammengehaltene, Zentlinde darauf, dass die nächsten hundert Jahre vergehen.

Im Anblick dieses 800 Jahre alten Baums macht sich in meinem Kopf der Song “Alt wie ein Baum möchte ich werden …” von den Puhdys breit. Mit dem Lied zwischen meinen Ohren werden meine Schritte noch leichter und ich fühle mich gerade unendlich glücklich. Bis zum nächsten Anstieg. Mit jedem Meter bergan, fühle ich mich deutlich älter wie ein Baum. Die Schritte werden langsamer und die Beine müssen von ihrer Arbeit überzeugt werden. Meinem Glücksgefühl aber schadet es nicht.
Ein letztes Mal noch, geht’s nach oben
Der letzte Anstieg bringt mich hoch zum Alsbacher Schloss. Hier oben steppt der Bär. Die Menschen können direkt bis vor das Schloss mit dem Auto hochfahren. Das freut den Gastronomen hier oben, kommen so doch viele Gäste hoch. Für mich ist das jetzt ein bisschen viel Trubel. So mache ich dem Alsbacher Schloss nur einen Anstandsbesuch und genieße dann die letzten ruhigen Höhenmeter bergab nach Zwingenberg.

Da ich die hübsche Altstadt mit den sehr schön gepflegten Fachwerkhäusern kenne und der Bus passender Weise in fünf Minuten abfährt, fahre ich gleich weiter bis nach Auerbach. Dort gibt es eine Eisdiele für das verdiente Abschlusseis und meine Unterkunft wartet dort auch auf mich.

