Tochter und Vater auf dem MainRadweg / Tag 8

Von Sand am Main nach Lichtenfels, 76,13 km, 4:40 h Fahrtzeit

Anstelle auf dem Rasen zu sitzen und ungemütlich zu Frühstücken, haben wir beschlossen, in das wenige hundert Meter entfernte Sand zu fahren und uns dort eine Bank auszusuchen. Schnell ist das Zelt, die Isomatten und alles Weitere eingepackt, dann stehen auch schon die Räder reisefertig bereit. Vor der Abfahrt wollen wir noch die gestern bestellten Brötchen abholen. Also eilen wir noch in den Kiosk.

Wasserbändiger 😉

Ein älterer Herr sitzt am Tisch und verspeist gerade seine Semmeln, zum eigenen Frühstück. Als er uns sieht, steht er auf. Langsam wendet er sich dem Tresen zu. In die Kinnfalten grummelt er sich einige dunkele Laute hinein. Wir interpretieren das als Morgengruß und grüßen zurück. Jetzt beugt sich die Gestalt über die Brötchenliste und beginnt offensichtlich nach der Namenssuche, während wieder einige der Grummelllaute aus den Tiefen seines Ichs hervordringen. Wir verstehen kein Wort, deuten es nach der Frage nach unserem Namen, den er augenscheinlich schon auf der Liste sucht. Wir antworten und helfen ihm bei der Suche, indem wir ihm die Spalte auf der Liste zeigen, wo unser Namen eingetragen ist.

Er fasst nach einer Tüte und wieder erklingen diese undefinierbaren Urlaute. Es hört sich an wie, „hrsdsämlnmochtnsseechts“. Dabei legt er die Tüte vor Jarla und schaut mich wartend an. Ich frage vorsichtig nach dem Preis, da dröhnen wieder diese Laute aus dem Körper des Gegenübers, „nsseechtshbhgst“. Was auch immer der Laut zu bedeuten hatte. Ich verstehe ihn einfach nicht. Jarla hat inzwischen die Tüte etwas gedreht, um den Preis darauf lesen zu können, der mit Kugelschreiber auf den Tüten geschrieben steht und teilt ihn mir leise mit. Jetzt ergeben die Laute des alten Mannes einen Sinn. Wir bezahlen und verlassen mit einem Abschiedsgruß den Raum. Der alte Mann hat sich inzwischen wieder an seinen Tisch gesetzt und widmet sich stumm seinem Frühstück.

Los geht’s zum Frühstück und neuen Abenteuern

Wir packen die Brötchen in die Taschen und rollen vom Platz. Dabei schauen wir uns an und stellen fest, dass so in etwa die Sprache entstanden sein muss: zuerst waren da wohl ein paar kaum definierbare Laute, wie von dem Mann mit den Brötchen. Dann dauerte es noch gut tausend Jahre, bis die Sprache endgültig entwickelt war.

Kirche in Sand am Main
Kirche in Sand am Main

Auf dem Dorfplatz in Sand steht, wie erwartet, vor der Kirche eine Bank. Dort wollen wir frühstücken. Während wir die Brötchen mit Honig bestreichen, wird auf dem Platz sauber gemacht. Papier aus dem Brunnen sammeln, Papierkörbe leeren, etwas Schmutz aus der Ecke der Bushaltestelle holen. Der Gemeindearbeiter geht seine Aufgabe sehr gründlich an. Nicht, dass es hier wirklich schmutzig wäre, nein eigentlich ist hier alles schön sauber und gepflegt. Aberein bisschenwas geht immer noch und so wird auch das letzte bisschen Schmutz vom Platz gefegt. Nach dem Frühstück spielt Jarla noch ein wenig mit dem Wasser des Brunnens und ich schaue mir die Kirche von innen an. Ein bisschen Kultur muss ja auch mal sein.

Große Wände schweben über den MainRadweg

In Limbach werden wir durch eine Bake über den Radweg gestoppt. Toll, denke ich mir. Vollsperrung ohne Umleitung. Das erste Mal, dass uns das passiert. Bisher waren alle Sperrungen immer ausgeschildert. Wir überlegen einen Moment, ob wir nicht doch durchfahren können. Schließlich ist keine Behinderung erkennbar und es wären auch keine hundert Meter, dann hätten wir es hinter uns. Wir überlegen noch, ob wir die Anordnung tatsächlich ignorieren sollen, da kommt ein Arbeiter mit Helm über den Platz gelaufen. Nicht weit von ihm entfernt, schwebt eine riesige Stahlwand hinter ihm her. Aha, das ist der Grund für die Sperrung.

Spundwände werden verlade
Spundwände werden verladen

Nachdem die Gefahr vorüber ist, winkt uns der Arbeiter durch. Da es uns aber unter den Nägeln brennt, zu erfahren was hier warum verladen wird, stoppen wir kurz und fragen nach dem Sinn der Stahlwände. Das seien Spundwände, erklärt der Mann richtig freundlich, die werden benötigt, um bei Reparaturen an den Wänden der Schleusen das Wasser zurück zu halten. Zuerst werden die Spundwände in die Schleusenkammer eingesetzt und dann wird das Wasser zwischen Spund- und Schleusenwand abgepumpt. Danach können die Arbeiter im Trocknen ihre Reparaturen durchführen. Wir bedanken uns für die tolle Erklärung und warten noch, bis die nächste Wand auf das Schiff geladen wird, bevor wir uns wieder auf die Sättel schwingen.

Main-Donau-Kanal
Main-Donau-Kanal

Bei Bamberg zweigt der Main-Donau-Kanal ab. Oder „Alfons-Goppel-Prestige-Tümpel“, wie ihn 1982 der Kabarettist Dieter Hildebrandt in seiner Fernsehsendung „Scheibenwischer“ nannte. Die künstliche Wasserstraße durchschneide wohl ein „lästiges Erholungsgebiet“, aber schließlich könnten ja auch nur „völlig intakte Landschaften diesen Kanal überstehen“. So der Spott Dieter Hildebrands. Die Staatsregierung Bayerns protestierte daraufhin beim Sender Freies Berlin, wegen Unterstellung und einem bayernfeindlichen Programm.

Ökonomisch war und ist der Kanal ein Flopp. Die von Wirtschaft und Land prognostizierten Zahlen sind nie erreicht worden – nicht mal die positivsten Annahmen der Kanalgegner. Irgendwie kommt einem doch das bekannt vor. Wo werden heute gerade Milliarden für Großprojekte verplant und verbaut?

Bamberg verpasst

Bevor wir es überhaupt so richtig mitbekommen, sind wir schon an Bamberg vorbei geflitzt. Die Zunge hängt schon wieder auf dem Boden und kein Einkaufsladen in Sicht. So schön wie der Mainradweg auch ist, seit wir in Bayern sind, ist die Qualität der Beschilderung nicht mehr so richtig gut. Und schon ist es dann auch geschehen, wir sind an einem Abzweig vorbei gefahren. Dank Mainradweg-App, ist der Fehler schnell korrigiert. Dort wo wir hätten abbiegen müssen, fehlte diesmal ein Einschub unter dem Schild. Eine Frau, die wir dort treffen erzählt uns, dass die Schilder noch nicht lange dort stehen. Früher haben Sie und die Nachbarn regelmäßig Pfeile auf den Weg gemalt, damit die Radfahrer den Weg finden. Wir sollen aufpassen wenn wir weiter fahren. Ihr Sohn sei mit dem Rad von seiner Oma aus hierher unterwegs und er versucht immer, seine Bestzeiten noch zu verbessern. Wenn wir also einen verrückten Radler sehen, sollten wir ihm lieber Platz machen.

Wir kommen ungeschoren ins nächste Ort, ohne ihrem Sohn zu begegnen. Dafür finden wir endlich eine Tankstelle. Diese kühlen Zweckbauten, einzig erbaut um die Fahrtüchtigkeit Reisender zu erhalten, sind für mich als Radfahrer, besonders bei dieser Hitze, wahre Tempel der Freude. Schon alleine die gut gekühlte Luft, die den überhitzen Radfahrer bei Betreten der Räume umgibt, entlockt mir ein außerordentliches Entzücken.

Fahrrad-Service-Station
Fahrrad-Service-Station

In einem kleinen Dorf entdecken wir an einer Scheune eine Fahrrad-Service-Station. Ein grünes Schild, über einem Brett mit verschiedensten Werkzeugen, weist auf den besonderen Service hin. Bis hin zum Flickzeug ist auch fast alles vorhanden, um die übelsten Pannen beheben zu können. Hier gibt es keinen Biergarten, kein Geschäft oder sonst etwas, mit dem sich Geld verdienen ließe. Die Service-Station scheint ausschließlich für die durchfahrenden Radler gemacht zu sein, ohne den Nebengedanken, sie irgendwo hinlocken zu wollen. Das ist eine der Aufmerksamkeiten entlang des Mainradwegs, die uns immer wieder das Gefühl vermitteln willkommen zu sein. Wahrscheinlich wird das Werkzeug nur selten gebraucht. Aber schön, dass es da ist. Danke an den Spender.

Wir erreichen unseren letzten Campingplatz

Endlich erreichen wir unseren Campingplatz in Lichtenfels. An der Rezeption sitzt Karl G. Zwei Knöpfe am Karohemd sind offen und lassen die Luft zur Kühlung des Körpers unter dem Bart durchstreichen. Zwischen den Bartharen lässt sich ein ausgesprochen freundliches, rundes Gesicht erkennen. So lässig und freundlich lächelnd, macht Karl G. den Eindruck, als würde er sich über Gäste freuen. Während wir in unser neues Refugium eingewiesen werden, scherzen noch wir ein wenig und auch Jarla wird kräftig mit einbezogen. Erst als ich die Rechnung vorgelegt bekomme, muss ich stutzen. Ganze 8,50 € sollen wir bezahlen. Wir haben bisher schon nicht wirklich viel bezahlt, aber dieser Preis scheint mir doch sehr niedrig. Karl G. meint, das sei schon richtig so. Inklusive Duschen versteht sich. Als wir dann noch sehen, wo wir unser Zelt aufschlagen sollen, ist die Überraschung perfekt. In der Regel stehen Wohnwagen oder Wohnmobile in der ersten Reihe zum Wasser. Hier dürfen wir unsere Stoffhütte mit direktem Zugang zum Main aufschlagen. Und das auf super tollem Rasen.

Campingplatz Lichtenfels

Jarla hat schnell Spielkameradinnen gefunden und ist im Wasser verschwunden. Ich unterhalte mich derweil mit dem Radler, der kurz nach mir sein Zelt aufbaut. Er will von München nach Rügen und unterwegs noch seine Verwandtschaft besuchen. Nach dem Abendessen laden mich dann die Großeltern des Mädchens ein, mit dem Jarla immer noch beim Spielen ist. Sie haben einen kleinen Kühlschrank im Zelt und wir genießen zusammen ein gut gekühltes Bier. Der Radler von nebenan kommt dann auch noch dazu und so wird es ein richtig schöner Abend.

Irgendwann wird es dann auch mal Zeit, meine Tochter einzufangen. Damit wir ins Bett gehen können. Morgen steht unsere letzte Etappe an. Um zur Quelle zu gelangen, müssen wir einiges an Steigung überwinden. Da sollten wir fit und ausgeschlafen sein. Auch wenn wir beschlossen haben, ein bisschen zu schummeln. Wie? Das verrate ich auf der letzten Etappe.



Unsere Radtour entlang des Mains, habe ich diesmal nicht aufgezeichnet. Tracks und Infos gibt es in Hülle und Fülle, da muss ich nicht auch noch die Datenwelt vollmüllen. Die Route mit vielen Tipps, kann man unter anderem auf der offiziellen Seite des Mainradwegs anschauen und auch herunterladen.


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