Deutschland der Länge nach / Dinkelsbühl – Augsburg

Anscheinend haben sie hier im Süden mehr Elan und feiern gerne mal die Nacht durch oder sie fangen besonders früh an. Auf jeden Fall wabert aus der Ferne, um sechs Uhr in der Früh, Partymusik in mein Zelt. Nach dem Chris Rae auf der „Road to Hell“ unterwegs ist, stellt der DJ unmissverständlich klar: „ Ja er lebt noch, er lebt noch, er lebt noch…:“ Bei dieser Musikmischung bleibt mir nichts anderes übrig, als auch ganz schnell wieder am Leben teilzunehmen und mich auf die Road to Füssen zu begeben.

So früh am Morgen, ist fast noch niemand auf den Straßen der Innenstadt auf den Beinen. Wie in vielen anderen Orten an der Romantischen Straße, sucht man auch hier vergebens in der Altstadt nach Leuchtreklame. Vielmehr muss der Maler noch Hand anlegen, um in farbigen Lettern die Schriftzüge von Bäcker, Metzger oder anderen Gewerbetreibenden auf die Fassaden zu malen.

Feng Shui oder wie unterschiedlich Geschmack sein kann

Vor der Kirche verraten einige Blütenblätter von weißen Rosen, dass hier ein ganz besonderes Ereignis gefeiert wurde. Ein Stein im Pflaster verrät auch wer die Glücklichen waren. Claudia und Tobias haben sich hier das Ja-Wort gegeben und das wird mit Datum vor der Kirche in einen Stein des Kopfsteinpflasters verewigt.

Ja-Wort im Pflasterstein

Während ich versuche Details des Hotels gegenüber der Kirche zu fotografieren, kommt ein älteres, asiatisches Paar aus der massiven Tür des Hauses. Mit einem sehr freundlichen Lächeln kommen beide auf mich zu und sprechen mich in einem Gemisch aus Englisch und Deutsch an. Sie wünschen sich ein Foto von ihnen und dem Hotel.

Dem Wunsch komme ich doch gerne nach. Nachdem er mir seine Kompaktkamera übereicht hat, stellen sich beide brav in Pose. Natürlich möchte ich beide mit einem gelungenen Bild von sich und ihrem Hotel erfreuen und krame alle mir bekannten fotografischen Regeln aus, die tief in den Hirnwindungen vergraben sind. Steif, als wären sie an einen Pfahl gebunden, warten sie geduldig, bis ich den richtigen Ausschnitt gefunden habe. Das Hauptmotiv nicht genau in der Mitte platzieren, das Hotel ein bisschen angeschnitten und ein leicht schräger Winkel zum Bildausschnitt, dann macht es klick und zur Sicherheit gleich nochmal klick.

In Dinkelsbühl

Ich bin zufrieden und gebe zu verstehen, dass sie sich das Ergebnis nun anschauen können. Das freundliche Lächeln bleibt erhalten, aber das Kopfschütteln könnte nicht deutlicher sei. Nein, so möchten sie es nicht haben. Sie und er genau in die Mitte vor dem Hotel, das ganze Hotel von oben bis unten auf das Bild und dann auch genau in die Mitte.

Seine Wünsche sind trotz Sprachenwust deutlich zu verstehen. Ein Bild, genau symmetrisch ausgerichtet, möchten sie haben. Ob das etwas mit Feng Shui zu tun hat. Der zweite Versuch, fällt dann zu ihrer deutlichen Zufriedenheit aus. Verschiedener kann die Meinung über das was schön ist nicht sein.

Romantische Straße und Deutsche-Limes-Straße

Durch das Tor im Turm der Stadtmauer, verlasse ich dann Dinkelsbühl. Über den Wiesen steigt noch ein wenig Morgennebel auf, die Luft ist angenehm frisch und kühl. Nach und nach wird es wärmer und der Tag verspricht wieder ausgesprochen warm und schön zu werden. Ob es die Römer früher hier auch so schön fanden wie ich heute? Die Vorboten der heutigen Pizzabäcker sicherten vor fast 2.000 Jahren hier ihre Grenzen. Autofahrer können die alte Grenze auf der Deutschen Limes Straße erkunden, für Radfahrer empfiehlt sich der gleichnamige Radweg den ich gerade kreuze.

Stadttor Dinkelsbühl
Stadttor Dinkelsbühl

Meine Romantische Straße führt mich in den Wald. So richtig optimal ist die Ausschilderung hier nicht. Immer mal wieder muss ich anhalten und nach dem Weg suchen. Entweder ist es nicht eindeutig wohin die Schilder zeigen sollen, sie fehlen auch mal ganz, oder stehen an den unmöglichsten Stellen. Mit dem groben Schotter unter den Reifen, macht es gerade mal nicht so viel Spaß dem Fernradweg zu folgen. Kurzerhand entscheide ich mich für die Weiterfahrt auf der B 25. Endlich rollen die Reifen wieder auf halbwegs gutem Asphalt.

Auf dem 49. Breitengrad

Doch besonders weit komme ich nicht. Am Wegesrand macht mich ein großes Schild darauf aufmerksam, dass hier der 49. Breitengrad verläuft. Zum einem ist es schön zu wissen, dass ich einen ganzen Breitengrad weiter gekommen bin, viel interessanter für mich, ist allerdings eine ganz andere Geschichte.

1997 erschien die erste Auflage des Europa Bikebuchs, aus dem Reise Know-How Verlag. Aus 39 Europäischen Ländern, ist dort alles zusammen getragen, was Radreisende an Informationen Vorort bekommen konnten und welche Bedingungen sie dort vorgefunden haben. Natürlich gab es zu einigen Ländern im Osten, noch recht wenig zu Berichten. Waren doch Staaten wie Rumänien, Bulgarien oder Albanien selbst für andere Touristen noch weitestgehend Neuland.

Die Infos über Deutschland fallen im Europa Bikebuch jedoch recht üppig aus und, wie bei den meisten Ländern im Buch, wird das Land durch einen Tourenbericht eingeleitet. Herbert Lindberg beschreibt dort seine Fahrradreise mit Freunden durch Deutschland.

Auch sie fahren auf der Romantischen Straße und als Bild zu diesem Artikel im Buch, ist genau diese Stelle mit dem Schild vom 49. Breitengrad, mit einem der Protagonisten auf dem Rad, zusehen. Klar, dass ich von mir auch so ein Bild machen möchte. Nachdem der Standpunkt der Kamera ausgesucht und der Funkfernauslöser montiert ist, geht es noch darum die richtige Stelle mit dem Rad auf der Straße zu erwischen, an der ich auslösen muss, damit das Bild etwa so wird wie es in meiner Erinnerung gespeichert ist. Nicht ganz zehn Versuche später, kann ich mein Equipment zufrieden wieder in die Taschen verstauen.

Der 49. Breitengrad
Der 49. Breitengrad
Europa Bikebuch 1997 – Verlag Reise Know How

Es dauert nicht lange und die Romantische Straße folgt nun auch der Bundesstraße. Das ist immer noch kein Problem, da sich der Verkehr weiterhin in Grenzen hält. Nur von einer Kleinigkeit bin ich dann doch enttäuscht. War ich bisher der Meinung, dass Gegenwind etwas speziell Norddeutsches ist, so legt sich dieser Widersacher entspannten Radfahrens, auch hier im Süden heute mächtig ins Zeug.

Das Nördlinger Ries und über 30 Grad im Schatten

Besonders fies wirkt der Wind dann im Nördlinger Ries. 14 Millionen Jahre vor Christi, schlug hier ein Asteroid als Himmelsbotschaft, in das damals noch nicht vorhandene, Bayernland ein und hinterließ einen Krater von 20 mal 24 Kilometern Durchmesser. Rundherum hat sich ein hügeliger Rand gebildet und in der Mitte ist es so flach wie in Nordfriesland.

Nördlinger Ries

Der Asteroid und die nachfolgenden Eis- und Warmzeiten, hinterließen hier einen sehr fruchtbaren Boden. Genau das richtige um ergiebige Landwirtschaft zu betreiben. Was des Bauern Freud, ist des Radlers … Wir haben wieder mal über 30 Grad im Schatten, nur lässt die Landwirtschaft kein Platz für Bäume und so fällt der Schatten aus. Dank der Ausgeräumten Landschaft, macht sich auch eine gewisse Ermüdung breit. Das Auge findet keinen Haltepunkt und auch die Orte orientieren sich im Baustil und Anordnung eher dem Nutzen als dem Auge.

Ziswingen Mönchsdeggingen
Ziswingen Mönchsdeggingen

In Ziswingen Mönchsdeggingen, am Rande des Rieses, war man wohl der Meinung man müsste etwas gegen die Eintönigkeit unternehmen. Auf einem abgeernteten Acker wurde ein Parcours abgesteckt, um mit automobilen Restbeständen ein Rennen, nach Motto wer zuletzt übrigbleibt hat gewonnen, auszutragen. Die Beulen an den einstigen Wertgegenständen zeugen davon, dass die Fahrer- und innen sich im Rennen nicht geschont haben.

Auf der Suche nach der nächsten Karte

In Donauwörth ist es wieder mal soweit, meine Karte geht zu Ende. Bodenständig wie man hier ist, haben die Läden an diesem heiligen Tag geschlossen. Was liegt da näher, als die Touristinfo zu besuchen und nach geeignetem Kartenmaterial zu fragen. Der Mitarbeiter ist sichtlich erfreut einen Kunden vor sich zu haben und gibt sich alle Mühe etwas Passendes für meine Bedürfnisse zu finden.

Außer ein paar groben Übersichtskarten und allgemeinem Infomaterial zur Romantischen Straße, kann er leider nichts aus den Regalen zaubern, was einem ortsunkundigen Radfahrer wirklich weiterhelfen kann. Dass er nicht helfen kann, gefällt ihm nun so gar nicht. Nach einigem Überlegen fällt ihm dann doch noch der Bahnhofsbuchhandel ein und mit diesem Tipp ist seine Welt wieder in Ordnung und mir einen Schritt weiter geholfen.

Auf dem kurzen Weg nach Augsburg

Hinter Donauwörth macht die Romantische Straße einen großen Bogen und folgt ein für kurze Zeit dem Lauf der Donau bis nach Marxheim. Faul wie ich bin, folge ich der Via Claudia Augusta, die mich auf direkten Weg in Richtung Augsburg bringen soll. Bei Drusheim kreuzen sich die Fernradwege wieder. Auch hier bleibe ich der Via Claudia treu und folge ihr zum Lech.

Einer von vielen Brunnen im Süden

Von nun an begleitet mich der Lech in Richtung Augsburg. Im Schatten der Bäume führt der Schotterweg fast immer am Fluss entlang. Trotz der Nähe zum Fluss, ist der Lech kaum zu sehen. Tief hat sich sein Bett im Laufe der Jahre in den Boden eingegraben. Bäume und Sträucher die fast bis ans Ufer heran wachsen spenden Schatten, erlauben aber auch nur kurze Einblicke auf das kühle Nass, dass sich durch die Kiesbänke schlängelt.

Irgendwo da draußen

In Augsburg an der Jugendherberge zeigt der Tacho fast 130 Kilometer an. Der längste Tag meiner Tour. Eigentlich wollte ich schon früher aufhören. Doch es lief einfach zu gut. Mein Körper hat sich an das tägliche Radfahren gewöhnt und verrichtet sein Werk wie von alleine. Das Wetter ist einfach traumhaft und nachdem Augsburg in erreichbare Nähe gerückt ist, gibt es keinen Grund mehr früher aus dem Sattel zu steigen.

Herr Hermann an der Rezeption der Jugendherberge, empfängt mich überaus freundlich. Geduldig erklärt er nach dem Einchecken noch den Weg in die Innenstadt und empfiehlt mir noch einen Italiener zum Abendessen.

Es fühlt sich einfach herrlich an, wenn der ganze Staub und Schweiß des Tages im Abfluss der Dusche verschwindet. Nach ausführlicher Wässerung und mit frischen Klamotten versehen, kann es auch wieder unter Menschen gehen. Die Innenstadt von Augsburg ist voll von ihnen. Das empfohlene Restaurant ist komplett leer. Kein Wunder, es hat keine Außenplätze und niemand setzt sich bei diesem Wetter freiwillig nach drinnen. Bei anderen Gastronomen mit Außenplätzen sieht es dagegen ganz anders aus. Und so dauert es eine ganze Weile, bis ein Teller leckerer Penne Amatriciana dampfend vor mir steht.


  • Dinkelsbühl Ja-Wort im Pflasterstein
    Dinkelsbühl Ja-Wort im Pflasterstein

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